Die neue EU-Verfassung ist offenbar Chefsache. Sie sollte
baldmöglichst verabschiedet werden und dann über dem Grundgesetz
stehen – aber das betroffene Volk soll die Inhalte möglichst nicht
kennen. Selbst kleinere Länder, die noch etwas zu mäkeln haben, werden
abgewatscht.
Anlässlich des ersten Teils der EU-Reihe im Januar
hatten wir schon gemutmaßt, (was ja eigentlich bei einer unkontrollierten,
technokratischen und volksfernen Konstruktion auf der Hand liegt), dass sich
hier die Großunternehmen und das Finanzkapital der EU „im Namen des
Volkes” eine genehme Verfassung schneidern lassen, die sie in den
Einzelstaaten nie und nimmer durchgekriegt hätten.
In diesem zweiten
Teil sollen die sozialen und ökonomischen Prinzipien der EU bzw. der
EU-Kommission untersucht werden – ebenso wie die sich durchziehenden
Grundwidersprüche. So z. B. die eigentliche Unvereinbarkeit von
neoliberaler Geldpolitik der EZB (Europäische Zentralbank) und den je
nationalen Haushaltsentscheidungen.
Und wer kennt schon die neoliberalen
„Empfehlungen” der EU für die Deregulierung der
Arbeitsmärkte, für die Privatisierung der Altersvorsorge und zur
Neuformierung der Gesundheitspolitik?
Angela
Klein schreibt in diesem Zusammenhang: „während also die
Union einen hohen Grad der Integration der Märkte und der Wettbewerbsregeln
forciert, betreibt sie gleichzeitig die Desintegration und die Zersplitterung
der sozialen Sicherungssysteme und der Arbeitsrechtsbestimmungen in den
einzelnen Mitgliedsstaaten – beides im Namen der globalen
Wettbewerbsfähigkeit. Der EU-Gipfel von Lissabon hat diesen Auftrag
eindeutig formuliert: >>Die Union muss die dynamischste und
wettbewerbsfähigste Region der Welt werden. << Es ist das gleiche
Ziel, wie es im ausgehenden 19. Jahrhundert für die Nationalstaaten
formuliert wurde: den globalen imperialistischen Konkurrenzkampf zu gewinnen.
Der Unterschied ist dennoch erheblich. Ging es damals darum, einen Teil der
Arbeiterbewegung zu integrieren und in diesen Konkurrenzkampf einzuspannen, so
soll heute ein wachsender Teil der lohnabhängigen Bevölkerung aus
sozialen Rechten und gesellschaftlicher Teilhabe ausgegrenzt
werden.”
Inzwischen wächst der Kreis derer, die dem
Verfassungsvertrag ablehnend gegenüberstehen. Es hat sich in diesem Jahr
ein Netzwerk „Soziale Rechte in Europa” gebildet. Dieses hat einen
Katalog von sozialen, politischen und bürgerlichen Grundrechten erarbeitet,
die es in der Verfassung verankert sehen will. Das Netzwerk wird im Vorfeld der
Verfassungsunterzeichnung (bisher geplant: 9. Mai 2004 in Rom – parallel
dazu soll es eine europäische Großdemonstration geben) eine
mehrtägige Konferenz durchführen, um entlang des Katalogs der Rechte
die Grundlagen für ein anderes Europa zu skizzieren.
Angela Klein
(SOZ-Redaktion) koordiniert in Deutschland die „Europäischen
Märsche gegen Erwerbslosigkeit, ungeschützte Beschäftigung und
Ausgrenzung”.