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disKURSwechsel :: Europäischer Aktionstag 2.+3. April

Reizwort Streik

Konferenz gegen Sozialabbau gelangte trotz Streit zu Ergebnissen
Daniel Behruzi, Frankfurt/Main

in: junge Welt vom 20.01.2004

 

Reizwort Streik

Konferenz gegen Sozialabbau gelangte trotz Streit zu Ergebnissen

Daniel Behruzi, Frankfurt/Main

Größtenteils recht konstruktiv und solidarisch diskutierten die knapp 500 Teilnehmer der Aktionskonferenz »Alle gemeinsam gegen Sozialkahlschlag« am Wochenende in Frankfurt am Main. Aktivisten unterschiedlicher Teile der sozialen Bewegung, Gewerkschafter und Globalisierungskritiker waren in die Mainmetropole gekommen, um über die Perspektiven des Widerstands gegen Sozialabbau zu debattieren und gemeinsame Aktivitäten vorzubereiten (jW berichtete am Montag). Im Vordergrund standen dabei europaweite Aktionstage gegen Sozialabbau am 2. und 3. April, an denen in Deutschland eine zentrale Großdemonstration in Berlin, möglicherweise ergänzt durch Kundgebungen in Stuttgart und im Ruhrgebiet, stattfinden soll. Diese Aktionen müßten noch größer werden als am 1. November, als 100 000 in Berlin gegen die »Agenda 2010« auf die Straße gingen, so der Tenor.

Die Frankfurter Aktionskonferenz, auf der ein in solchem Rahmen bislang ungekannt breites Spektrum des sozialen Protests vertreten war, beschloß sowohl, zur zentralen Demonstration am 3. April zu mobilisieren, als auch am Vortag einen betrieblichen und lokalen Aktionstag durchzuführen. Auch ein »Aufruf gegen Sozialkahlschlag und für soziale Gerechtigkeit« wurde formuliert, für den laut Bernd Riexinger, Geschäftsführer der Gewerkschaft ver.di in Stuttgart, »Hunderttausende Unterschriften« gesammelt werden sollen, »um aufzuzeigen, daß es eine breite Stimmung gegen die Sozialkürzungen gibt«.

Als es kurz vor Ende der Konferenz am Sonntag abend um die Verabschiedung einer Abschlußerklärung ging, kam es auf dem bis dahin recht produktiven Treffen doch noch zum Eklat. In einer Arbeitsgruppe hatte man sich zwar auf einen Text verständigt, der neben der Ablehnung der »Agenda 2010« auch einen detaillierten Forderungskatalog beinhaltet – von Mindesteinkommen und unbeschränktem Zugang zu freier Bildung über stärkere Unternehmensbesteuerung bis hin zur 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Einen Dissens gab es jedoch in der Frage, ob das Wort »Streik« bei den zu ergreifenden Widerstandsmaßnahmen auftauchen dürfe. Dies versuchten Peter Wahl und Werner Rätz vom Koordinierungskreis des globalisierungskritischen Netzwerks ATTAC mit allen Mitteln zu verhindern. Eine derartige Erklärung werde von ATTAC nicht mitgetragen, erklärten sie kategorisch. Im Gespräch mit junge Welt sagte Wahl, man sei zwar nicht gegen Streiks, aber diese würden »nicht deklariert, sondern gemacht«. In erster Linie sei es ihnen jedoch um »bündnispolitische Rücksichtnahme« gegangen. Man müsse »auch diejenigen mitdenken, die noch nicht dabei sind«, erklärte Wahl, offensichtlich bezogen auf die Gewerkschaftsspitzen.

Nicht nachvollziehen konnte diese Argumentation Bernd Riexinger. Er hatte einen Formulierungsvorschlag eingebracht, der sich für »betriebliche Aktivitäten bis hin zu Streiks« ausspricht. »Wenn die Gewerkschaften durch so etwas abgeschreckt würden, wäre das doch eigenartig«, meinte Riexinger gegenüber jW. Besonders wunderte den ver.di-Funktionär, daß die Vertreter des globalisierungskritischen Netzwerks ausgerechnet in diesem Punkt, der nicht gerade zu den »ATTAC-Themen« gehört, ein Veto einlegten. Er bezweifelte zudem, daß Wahl und Rätz in dieser Frage für ihre Organisation, in der es keinen Konsens hierzu gibt, sprechen könnten. »Mit welchem Recht wird da im Namen von ATTAC ein Veto eingelegt?« fragte Riexinger und schlug vor, dieses Vorgehen innerhalb der ATTAC-Strukturen zu thematisieren.

Wahl betonte, das große Problem sei nicht die vorgeschlagene »Popelsformulierung« gewesen, sondern die Frage, ob auf derartigen Konferenzen im Konsens oder per Abstimmung entschieden werden sollte. Riexinger, der als Diskussionsleiter zur Abstimmung aufrief, erklärte, deren Ergebnis spreche für sich: »Wenn 90 oder 95 Prozent dafür stimmen, kann man doch nicht behaupten, es sei kein Konsens zustande gekommen«. »Wäre dieser Punkt, der ein zentrales Arbeitsergebnis der Konferenz darstellte und von fast allen unterstützt wurde, nicht abgestimmt worden, hätte man die Konferenz brüskiert«, argumentierte der Gewerkschafter.

Zur Frage der Positionsbestimmung auf derartigen Treffen wird es wohl noch weitere Diskussionen geben müssen. Die Auseinandersetzung bedeute aber keinen Bruch des Bündnisses, betonten beide Seiten auf jW-Nachfrage. »Es kann passieren, daß für einen Moment die Emotionen hochkochen«, erklärte Rätz.

»Wir sind uns bewußt, daß wir die gemeinsame Arbeit über die europaweiten Aktionstage hinaus kontinuierlich fortführen müssen«, heißt es in der auf der Konferenz letztlich doch beschlossenen Erklärung.

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Ausdruck erstellt am 19.01.2004 um 21:46:46 Uhr

 

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Posted: Di - Januar 20, 2004 at 10:16 vorm.  
   
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