junge Welt vom 18.10.2004
Proteste gegen geplante Entlassungen
bei General-Motors-Tochter halten an. Irritationen bei Kapital und Politik.
Solidarität der anderen Opel-Werke mangelhaftDie Proteste
der Opel-Werker in Bochum gegen drohende Massenentlassungen sind auch am Sonntag
fortgesetzt worden. Hunderte Arbeiter blockierten weiterhin die vier Werkstore
und können dabei auf breite Unterstützung aus der Bevölkerung
bauen. Familienangehörige, Mitarbeiter anderer Betriebe und Bürger der
Stadt zeigten sich solidarisch mit den Opel-Beschäftigten.
Ein
Ende der Proteste ist momentan nicht abzusehen. Dafür ist die Empörung
zu groß. Aber auch das Wissen um die Alternativen scheint die Bochumer
Opel-Arbeiter weniger einzuschüchtern als zu mobilisieren. Werden die
geplanten Massenentlassungen durchgezogen, würde Belegschaftsvertretern
zufolge jeder zweite gefeuerte Opelaner keinen neuen Job mehr finden. Und nach
einem Jahr Arbeitslosigkeit drohe die Armut – auch »Hartz IV«
und »ALG II« genannt. »Wir haben doch nichts zu verlieren«,
sagte ein Opel-Arbeiter vor dem Werkstor zur fragenden Pressemeute.
mehr
unter:
http://www.jungewelt.de/2004/10-18/001.php
Die Belegschaft der Bochumer Opel-Niederlassung weiß aber auch,
daß sie mit ihrer Kampfaktion die Produktion an den anderen Opel-Standorten
lahmlegen kann. Denn Bochum ist ein wichtiger Zulieferer innerhalb von General
Motors Europa. Sollte dies gelingen, drohen Presseberichten zufolge Opel und GM
Umsatzeinbußen von bis zu 30 Millionen Euro pro Tag. Das erzeugt
gehörigen Druck auf Management und Politik, aber auch auf die
Gewerkschaftsführung. Denn die Aktion der Bochumer war so nicht in deren
Kalkül. »Das wird der längste Arbeitskampf, den Opel je erlebt
hat«, kündigte Betriebsratsmitglied Klaus Hemmerling am Sonntag
an.
Von der Politik kam bisher wenig Zuspruch. Im Gegenteil. Die
Aufforderung von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement, sie sollten wieder
an ihre Arbeit gehen, hat viele Bochumer Opelaner zusätzlich wütend
gemacht. Aber auch die bislang mangelnde Solidarität der anderen
Opel-Beschäftigten wurde bedauert. »Mir wäre es lieber, wenn auch
die Kollegen in Rüsselsheim mitziehen würden«, sagte ein Arbeiter
in die Mikrofone von Fernsehen und Rundfunk. Doch dort herrschte am Wochenende
weiter gespannte Ruhe. Ebenso an den britischen Standorten. Einem linken
Gewerkschafter zufolge hatte die britische Gewerkschaftsführung bis Freitag
abend ihre Kollegen noch nicht einmal über die Kampfaktion in Bochum
informiert. »Wir sollten die Produktion bei GM in ganz Europa lahmlegen,
denn sonst spielen uns die Bosse gegeneinander aus«, erklärte Gerry
Ellis, gewerkschaftlicher Vertrauensmann bei der britischen GM-Tochter Vauxhall
gegenüber jW.
Nach einem Treffen von Vertretern des
Betriebsrats und der IG Metall war in Bochum noch am Sonnabend entschieden
worden, daß die Belegschaft zu Beginn der Frühschicht am Montag
darüber abstimmen soll, ob die Arbeit wieder aufgenommen wird. Der
stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel machte jedoch klar,
daß Gespräche mit der Konzernleitung nur dann möglich seien, wenn
diese auf betriebsbedingte Kündigungen verzichte.
Eine von
Opel-Aufsichtsratschef Carl-Peter Forster ins Spiel gebrachte Lösung
über Auffanggesellschaften, die eine Weiterbeschäftigung für zwei
Jahre zu deutlich schlechteren Bedingungen bieten würde, trifft in Bochum
auf massive Ablehnung. »Da gehen wir lieber mit fliegenden Fahnen
unter«, kommentierte ein Arbeiter vor dem
Werkstor.
-----------------------
Adresse:
http://www.jungewelt.de/2004/10-18/001.php