|
|
Es gibt keinen Zweifel, dass hier eher die Regeln eines Polizeistaates
und weniger die Grundrechtsgarantien Maßstab des Handelns waren
Linkes Netzwerk im Visier Polizei beschlagt Computer des
Netzwerks labournet.de
Labournet.de hat nicht nur Freunde. Der
deutsche Ableger des weltweiten online-Portals der gewerkschaftlichen Linken
tritt mit seinen Veröffentlichungen den Offiziellen in Politik und
Gewerkschaften regelmäßig auf die Füße. Etwa im
Frühjahr, als man ein internes Papier der DGB-Spitze ins Netz stellte, in
dem es um die Neuausrichtung der Gewerkschaften ging. Oder mit der "Aktion
schwarze Schafe", bei der Berichte über Anbieter von Ein-Euro-Jobs
gesammelt werden. Als dann die Polizei am Dienstag eine Hausdurchsuchung bei den
drei in Bochum ansässigen Labournet-Redakteuren vornahm und sämtliche
Computer, viele CD-Roms, Disketten und Teile des archivierten Schriftverkehrs
beschlagnahmte, stand sofort die Vermutung im Raum: Hier solle ein missliebiges
Organ für linke Gegeninformation mundtot gemacht werden.
Angeblich, so bekam Labournet-Redakteur Paul Pandorf von einem der
Durchsuchungsbeamten zu hören, geht es um den Verdacht der
Urkundenfälschung. Genauer gesagt um ein Flugblatt, das im Dezember in
Bochum, Hagen und Köln verteilt und bei Indymedia veröffentlicht
wurde. Dabei handelt es sich offenbar um ein gefälschtes Schreiben der
Bundesagentur für Arbeit, das die gefälschte Unterschrift eines
Angestellten des Bochumer Arbeitsamtes trägt und mit "Paul Lafarque -
Labournet" unterzeichnet ist.
Bei Labournet weiß man davon
allerdings gar nichts. "Wir kennen das Flugblatt nicht", beteuert Pandorf.
Für ihn ist die Aktion der Polizei "total schwachsinnig": Schließlich
sei das fragliche Schriftstück seit Monaten im Internet
veröffentlicht. Pandorf vermutet daher, dass es den Behörden auch gar
nicht um das Flugblatt geht, als vielmehr darum, an Kontakte und Informanten von
Labournet heranzukommen. Etwa an jene anonymen Autoren, die über "Schwarze
Schafe" unter den Ein-Euro-Job-Anbietern berichten. Dass es bei der
Polizeiaktion vor allem darum ging, dem kritischen Labournet ein Bein zu
stellen, glauben auch die Kollegen der linken Bochumer Webseite
bo-alternativ.de. "Es gibt keinen Zweifel, dass hier eher die Regeln eines
Polizeistaates und weniger die Grundrechtsgarantien Maßstab des Handelns
waren", heißt es in einer Solidaritätsadresse aus dem
Ruhrgebiet.
Den ersten Schock hat man bei Labournet inzwischen
überwunden: Ein Rechtsanwalt wurde eingeschaltet, über den man die
"sofortige Herausgabe der Materialien" fordert, so Pandorf. Der einzige
Hauptamtliche beim Trägerverein Labournet.de e.V. hat seit gestern wieder
einen Computer, mit dem er Emails beantworten und die Webseite notdürftig
aktualisiert kann. Auch der tägliche Newsletter an 2.000 GenossInnen soll
ab sofort wieder rausgehen: erstellt von Labournet-Kollegen in Brasilien.
Pandorf: "Die übernehmen das netterweise so lange, bis wir wieder voll
einsatzfähig sind."
SUSANNE GANNOTT
taz NRW
Nr. 7710 vom 8.7.2005, Seite 2, 96 TAZ-Bericht SUSANNE GANNOTT
Posted: Do - Juli 7, 2005 at 10:00 nachm.
>
|
|
|