|
|
10 000 gegen Sozialraub
junge Welt vom 08.11.2004 »Hartz IV« und »Agenda
2010« im Visier: Eindrucksvoller Protest vor der Bundesagentur für
Arbeit in Nürnberg. Massives Polizeiaufgebot und
EinschüchterungsversucheWut, Empörung, Entsetzen – das
empfinden die rund 10 000 Demonstranten, die am Sonnabend in Nürnberg unter
dem Motto »Gemeinsam gegen Sozialraub, Agenda 2010 und Hartz IV«
protestiert haben. Wut, weil die Menschen gezwungen werden, zu Minilöhnen
zu arbeiten. Empörung, weil sich gleichzeitig Reiche bereichern und Konzern
Steuergeschenke bekommen. Entsetzen, weil mittlerweile bekannt wurde, daß
ein Viertel der jetzigen Arbeitslosenhilfebezieher ab Januar 2005 kein Geld mehr
bekommen werden. Zu der Demonstrationen waren Menschen aus rund 30 Städten
mit Bussen und Bahnen gekommen. Aufgerufen hatten 90 Organisationen, darunter
die PDS, ATTAC, die Wahlalternative, verschiedene antifaschistische und
anarchistische Gruppierungen, mehrere türkische Organisationen sowie Pax
Christi. Zahlreich waren auch Gewerkschafter und Ortsverbände vertreten,
obwohl die Absage der DGB-Gewerkschaftsvorstände, die Demonstration zu
unterstützen, für Verstimmung gesorgt hatte. Bilder
aus Nürnberg
Begleitet von einem massiven Polizeiaufgebot, zog die Demonstration von
der Lorenz-Kirche in der Nürnberger Innenstadt am SPD-Haus vorbei durch die
Südstadt, in der viele Ausländer, Arbeiter und Arme wohnen, hinaus zum
häßlichen Betonklotz der Bundesagentur für Arbeit. Allerdings
durfte man nicht, wie von den Veranstaltern vom Nürnberger Sozialforum
gewünscht, vor dem Hauptportal der BA protestieren. Die Zentrale war
weiträumig abgesperrt und von mehreren Hundertschaften Bereitschaftspolizei
und schwer bewaffneter Unterstützungskommandos bewacht. Schon vorher hatte
die Polizei für Verstimmung gesorgt, denn Busse waren penibel kontrolliert
und damit die Demonstranten am rechtzeitigen Erscheinen gehindert worden. Auch
angeblich zu lange Transparentstangen wurden auf rüde Weise
konfisziert.
Die von der Polizei befürchteten Ausschreitungen
des »schwarzen Blocks« blieben jedoch aus, die Demonstration lief in
friedlicher und gut gelaunter Stimmung ab, obwohl das Thema keine gute Laune
machen konnte. Sven Rösler vom Sozialforum Nürnberg benannte
»Hartz IV« als klaren Sozialraub und stellte den Zusammenhang zu den
jetzigen Diskussionen um Lohnkürzungen und Arbeitszeitverlängerung bei
Karstadt, Opel oder VW her. Kurt Haymann von ATTAC Deutschland benannte
»Alternativen zur neoliberalen Globalisierung«, Wilfried Moryson,
Vertrauensmann bei Opel Bochum, berichtete über die aktuelle Situation,
während Frank Jäger (Bundesarbeitsgemeinschaft der
Sozialhilfeinitiativen) aus Sicht der Betroffenen zeigte, was Armut durch die
»Agenda 2010« für Millionen bedeutet. Orhan Akman (ver.di
München) schilderte die Lage von Arbeitsmigranten und betonte insbesondere
die Notwendigkeit international solidarischer Gegenwehr. Insgesamt bewerteten
die Veranstalter die Beteiligung als vollen Erfolg. Sie zeige eindrucksvoll das
Funktionieren des Konzepts eines Sozialen Forums, das im Politikbetrieb
hierzulande noch wenig praktizierte werde.
Auf dem Nachhauseweg
äußerte eine Angestellte von Karstadt, daß sie »Hartz
IV« gut findet, weil »endlich die Drückeberger von der
Straße wegkommen«. Wut, Empörung, Entsetzen? Offensichtlich ist
noch viel politische Arbeit zu leisten. -----------------------
Adresse: http://www.jungewelt.de/2004/11-08/001.php
Posted: Mo - November 8, 2004 at 08:56 vorm.
>
|
|
|