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Gefesselt, geschlagen, mit Psychopharmaka ruhiggestellt - In
Düsseldorf wurden 70 Kurden abgeschoben.
junge Welt vom 30.06.2005 - Interview
»Asylbewerber
in Nacht- und Nebelaktion abgeholt« Ein Gespräch mit
Neslihan Celik Interview: Peter Wolter *
Neslihan Celik ist Rechtsanwältin in Bochum. Sie vertrat eine
Kurdenfamilie, die in der Nacht zum Dienstag überfallartig verhaftet und
nach Istanbul abgeschoben wurde.
F: Nordrhein-westfälische
Behörden haben am frühen Dienstag in einer Nacht- und Nebelaktion
Dutzende Asylbewerber aus Kurdistan in die Türkei abgeschoben. Sie waren
dabei, wie lief das ab?
Die Asylbewerber waren zum Teil mitten in der
Nacht zu Hause abgeholt worden, andere kamen offenbar aus dem Abschiebeknast.
Als erstes sah ich zahlreiche Fahrzeuge mit Behördenkennzeichen,
Reisebusse, Wagen des Bundesgrenzschutzes sowie der normalen Polizei. Die Autos
wurden einzeln durch ein Tor aufs Düsseldorfer Flughafengelände
gelassen. Ich konnte sehen, wie die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes
ausgeladen wurden, sie wurden zum Teil wie Gepäckstücke aus den Autos
gezogen. Es dauerte etwa drei Stunden, bis alle in eine auf dem Rollfeld
wartende Chartermaschine verfrachtet waren.
F: Um wie viele Personen handelte es sich?
Das waren etwa 70,
in der Mehrzahl Männer. Aber auch viele Frauen und Kinder waren dabei,
junge Männer und alte Menschen. Die Männer waren allesamt mit
Handschellen gefesselt. Aus der Ferne konnte ich meinen Mandanten sehen, er trug
zusätzlich noch Fußschellen und war blau im Gesicht. Offenbar hatte
ihn die Polizei geschlagen.
Die Kinder waren von den Eltern getrennt
worden, sie standen in Decken gehüllt herum, einige weinten. Sie wurden von
einer Frau betreut, vermutlich einer Sozialarbeiterin. Die Kinder meines
Mandanten habe ich allerdings nicht gesehen.
F: Welchen Eindruck
machten die Kurden auf Sie?
Mein Mandant erblickte mich zwar, sah
aber buchstäblich durch mich hindurch, er nahm mich gar nicht mehr
bewußt wahr. Später erfuhr ich, daß die Asylbewerber –
zumindest die Erwachsenen – Psychopharmaka bekommen hatten. In den
Fahrzeugen waren ihnen die Tabletten aufgezwungen oder aufgenötigt worden.
Die Frau meines Mandanten soll noch in der Wohnung, aus der die Familie abgeholt
worden war, eine Beruhigungsspritze in den Oberschenkel bekommen haben. Das
haben mir Nachbarn erzählt. Ich habe sie nicht mehr gesehen –
möglicherweise war sie in dem Krankenwagen, der direkt am Flugzeug
vorfuhr.
F: Haben Sie versucht, Kontakt zu der Familie aufzunehmen,
die Sie vertreten? Wie reagierten die deutschen Abschiebebeamten?
Ich
durfte bis zum Tor, weiter nicht. Ein Beamter sagte mir, ich habe ja schon
vorher Gelegenheit gehabt, mit meiner Mandantschaft zu sprechen. Mit der
Abschiebung sei jetzt der Fall abgeschlossen, mein Mandat habe sich damit
erledigt. Die Abschiebung verlaufe nach Recht und Ordnung, was ja auch in meinem
Sinne sei.
F: Aus welchen Gründen hatten die jetzt Abgeschobenen
in Deutschland um Asyl nachgesucht?
Es sind Kurden, politische
Flüchtlinge aus der Türkei, die zum Teil schon seit Jahren in
Deutschland sind. Meine Mandanten z.B. sind schon vor 14 Jahren gekommen. Die
europäische Öffentlichkeit vergißt gerne, daß der
türkische Staat in den 90er Jahren gegen die Kurden Krieg führte und
die Angriffe in der letzten Zeit wieder aufgenommen hat. Die Abgeschobenen
müssen befürchten, daß sie von den türkischen Behörden
verfolgt werden, sie müssen mit Gefängnis und sogar mit Folter
rechnen.
F: Was geschah in Istanbul nach der Landung der
Abgeschobenen?
Es ist mir leider nicht gelungen, Kontakt zu meinen
Mandanten aufzunehmen. Ich habe mich allerdings sofort mit der
Rechtsanwaltskammer in Istanbul in Verbindung gesetzt. Türkische Kollegen
haben noch in der Nacht versucht, Kontakt aufzunehmen, allerdings vergeblich.
Die Behörden leugneten zunächst, daß ein Transport eingetroffen
sei, später hieß es zynisch, es sei ein »Paket« mit 70
Personen angekommen. Erst später hieß es, meine Mandanten seien auf
freien Fuß gesetzt worden. Was mit den anderen ist, habe ich nicht
erfahren. ----------------------- Adresse:
http://www.jungewelt.de/2005/06-30/018.php
Posted: Do - Juni 30, 2005 at 08:23 nachm.
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