Nach den im Sinne der »Non«-Kampagne erfolgreichen
Verfassungsreferenden wurde es zunächst ruhig um das Richtlinienprojekt.
Bis nach der Sommerpause die ersten Abstimmungsergebnisse aus Ausschüssen
des EU-Parlaments an die Öffentlichkeit sickerten – nicht zuletzt
jenes des Ausschusses für Wirtschaft und Währung, der die
Europäische Kommission an Markthörigkeit und Privatisierungswut in
mancher Hinsicht noch übertraf. Die Totgeglaubte erwies sich also als
ausgesprochen lebendig.
Im November stimmte
schließlich der federführende Binnenmarktausschuß des
Europäischen Parlaments über die Vorlage der sozialdemokratischen
Berichterstatterin, Evelyne Gebhardt, zur Dienstleistungsrichtlinie ab. Auch
hier konnte die konservative Fraktion im Bündnis mit den Liberalen in allen
entscheidenden Fragen ihre Vorschläge durchsetzen. Keineswegs grundlos
wurde das Votum vom europäischen Industrie- und Arbeitgeberverband UNICE
als positiver »Durchbruch« gefeiert. Auch der Bundesverband der
Deutschen Industrie (BDI) zeigte sich hocherfreut, daß die
Bolkestein-Richtlinie trotz all der massiven Kritik von Gewerkschaften,
Sozialverbänden, Handwerkerorganisationen und Kleinunternehmern den
Ausschuß so unbeschadet passieren konnte.
Zwar
entblödeten sich einige deutsche Blätter nicht, von einer
»völligen Verwässerung« der Richtlinie, ja von ihrem Ende zu
fabulieren; daß Bolkesteins Projekt indes mit Siebenmeilenstiefeln der
Realisierung entgegenstürmte, sprach sich aber zum Glück dann doch
herum. So wurde auch die Gegenbewegung gegen die Richtlinie in den letzten
Monaten europaweit wieder hörbarer und stärker. Nicht zuletzt die
Mobilisierung zu den Demonstrationen am 11. und 14. Februar in Strasbourg und
Berlin ist mit viel Resonanz angelaufen und läßt auf eine breite
Teilnahme hoffen.
Ein »dritter
Weg«? Just zu diesem Zeitpunkt werden plötzlich
wieder Totenmessen gesungen, zwar nicht so sehr auf die
Dienstleistungsrichtlinie selbst, aber doch auf ihren Kernbestandteil, das
Herkunftslandprinzip. »Nach langen und konsequenten Verhandlungen ist es
mir gelungen, den Stein des Anstoßes – das Herkunftslandprinzip
– aus der Dienstleistungsrichtlinie herauszunehmen«, verkündete
eine freudestrahlende Evelyne Gebhardt am Mittwoch vor der Presse. »Ich
habe mich für einen dritten Weg stark gemacht, der gleichzeitig die
Öffnung der Märkte ermöglicht und dabei das europäische
Sozialmodell garantiert«, preist Gebhardt den vorgeblichen
Verhandlungserfolg. Auch SPD-Chef Matthias Platzeck findet, daß die
Einigung das »europäische Sozialmodell« – oder das, was
davon noch übrig ist – sichere. Ausnahmslos positiv zum gefundenen
Kompromiß äußert sich freilich auch so mancher, der bisher als
Verfechter sozialstaatlicher Prinzipien noch weniger aufgefallen ist. Der
ehemalige CDU-Generalsekretär Laurenz Mayer beispielsweise teilte
stellvertretend für seine gesamte Partei mit, die Union sei mit der
gefundenen Lösung »gut einverstanden«. Große Koalition im
Bund und in Europa zur Verteidigung von sozialen Standards und
Beschäftigtenrechten?
Eine ungewohnte Vorstellung. Und
eine, an die man sich auch gar nicht erst gewöhnen muß. Sieht man sich
den gefeierten Kompromiß nämlich ein bißchen genauer an, wird
deutlich, daß er vor allem eines ist: ein Einschwenken der Sozialdemokraten
auf die Linie, die Konservative und Liberale von Beginn an vertreten haben. Das
betrifft insbesondere die Haltung zum Kern der Dienstleistungsrichtlinie, dem
Herkunftslandprinzip, nach dem grenzüberschreitend tätige
Dienstleistungsanbieter nur noch den Regeln des Landes unterliegen sollen, in
dem sie ihre Niederlassung angemeldet haben.
Die
Regelungen zum Herkunftsland finden sich in Artikel 16 der Richtlinie, auf den
sich von Beginn an die Auseinandersetzung konzentrierte. Bereits im Vorfeld der
Abstimmung im Binnenmarktausschuß war die sozialdemokratische
Berichterstatterin den Konservativen ein erhebliches Stück
entgegengekommen. Statt einer generellen Ablehnung des Herkunftslandsprinzips,
wie von Gewerkschaften und sozialen Organisationen immer wieder gefordert und
auch von nicht wenigen Sozialdemokraten im Europäischen Parlament
vertreten, enthielt ihr Antrag eine Zweiteilung: Der Zugang zur Erbringung von
Diensten sollte, wie von der Kommission gewünscht, den Regeln des
Herkunftslandes unterliegen; für die Ausübung der
Dienstleistungstätigkeit indessen sollten die Gesetze des Bestimmungslandes
gelten, des Landes also, in dem die Dienstleistung tatsächlich erbracht
wird. Diese Regelung, die im übrigen exakt dem Inhalt der
Bundesratsinitiative des hessischen CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch im
Bundestagswahlkampf entsprach, ist keineswegs unproblematisch, da eine klare
Grenzziehung zwischen dem Zugang zur Erbringung einer Dienstleistung und der
Ausübung einer Dienstleistung in der Praxis nur schwer möglich ist.
Der erste Teil des sozialdemokratischen Antrags hätte daher durchaus auf
eine Einführung des Herkunftslandsprinzips durch die Hintertür
hinauslaufen können.
Doch selbst diese Anlehnung an
konservative Positionen hatte damals nicht genügt, dem sozialdemokratischen
Antrag eine Mehrheit zu verschaffen. Statt dessen wurde im Ausschuß ein
Antrag von Konservativen und Liberalen angenommen, nach dem
Dienstleistungserbringer künftig »ausschließlich den Bestimmungen
des Mitgliedsstaats der Niederlassung«, also den Gesetzen ihres
Herkunftslandes, unterliegen sollten; und zwar »in bezug auf den Zugang zu
Dienstleistungstätigkeiten und deren Ausübung«, wobei letzteres
»insbesondere die Anforderungen in bezug auf die Niederlassung und die
Tätigkeit der Dienstleistungserbringer, das Verhalten der
Dienstleistungserbringer, die Qualität oder den Inhalt der Dienstleistung
sowie die Normen und Zertifizierungen« einschließt. Mehr hat auch die
Kommission nie gefordert.
Die einzige ernsthafte
Einschränkung, die vorgenommen wurde, betrifft das Recht zur Kontrolle der
Dienstleistungstätigkeit, das dem Bestimmungsland übertragen wurde.
Allerdings ist mehr als fraglich, ob letzteres eine ernsthafte Kontrolle unter
solchen Bedingungen noch ausüben kann. Denn im Grunde bedeutet diese
Konstruktion, das ein Mitgliedsland dafür verantwortlich wäre, die
Einhaltung der Gesetze anderer Mitgliedstaaten, also im Extremfall 24
verschiedener Rechtsordnungen, für die auf seinem Territorium tätigen
Unternehmen zu überprüfen.
Der Begriff des
Herkunftslandes als solcher freilich tauchte bereits in der vom
Binnenmarktausschuß verabschiedeten Version der Richtlinie nicht mehr auf.
Die Überschrift von Artikel 16, die ursprünglich
»Herkunftslandprinzip« lautete, wurde in »Freizügigkeit
für Dienstleistungen« umgeändert. Wenn Evelyne Gebhardt jetzt als
Erfolg verkündet, sie habe »den umstrittenen Artikel 16
(Herkunftslandprinzip) durch ›freedom to provide services‹
ersetzt«, ist ihr offenbar entfallen, daß eben diese Veränderung
bereits im November von der konservativen Fraktion durchgesetzt wurde.
Schwammige Formulierungen Auch
inhaltlich ist das, was als gefeierter Kompromiß zu Artikel 16 daherkommt,
so völlig neu nicht. Zwar wird jetzt nicht mehr pauschal festgelegt,
daß grenzüberschreitende Unternehmen nur noch den Gesetzen des Landes
unterliegen, in dem sie niedergelassen sind. Umgekehrt verzichtet der neue Text
aber auch auf jede Festlegung, daß die Gesetze des Tätigkeitslandes
gelten sollten. Statt dessen wird schwammig formuliert, daß die
Mitgliedstaaten »den freien Zugang und die freie Ausübung von
Dienstleistungstätigkeiten auf ihrem Territorium sicherstellen«
sollen. Die entscheidende Frage ist damit: Was heißt »freie
Ausübung«? Ausübung auf Basis der Gesetze des
Herkunftslandes?
Tatsächlich wird genau diese
Interpretation durch die Folgebestimmungen nahegelegt. So wird im
anschließenden Absatz klargestellt, daß die Mitgliedstaaten den Zugang
zu oder die Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit auf ihrem
Territorium keinen Bestimmungen unterwerfen dürfen, die die Prinzipien der
Nichtdiskriminierung, der Notwendigkeit und der Proportionalität
verletzten. Hinsichtlich der »Notwendigkeit« wird ausgeführt,
daß die Regelungen gerechtfertigt sein müssen »aus Gründen
der öffentlichen Ordnung oder öffentlichen Sicherheit oder mit Blick
auf den Schutz von Gesundheit und Umwelt«. Alle Gesetze, die sich nicht
zwingend mit Blick auf öffentliche Sicherheit, Gesundheit oder Umwelt
rechtfertigen lassen, gelten für den ausländischen
Dienstleistungserbringer also offenbar nicht, sondern da unterliegt er den
Gesetzen des Landes, in dem er niedergelassen ist.
Es
folgt dann noch eine ganze Liste von gesetzlichen Anforderungen, die die
Mitgliedstaaten in jedem Fall abschaffen müssen: Dazu zählt erstens
die Auflage, daß Dienstleistungserbringer auf ihrem Territorium eine
Niederlassung errichten müssen, wenn sie ihre Dienste anbieten wollen.
Ebenso untersagt wird den Mitgliedstaaten jede Einmischung in die
Vertragsgestaltung, was nicht nur Verbraucherschutzrechte elementar in Frage
stellt, sondern indirekt auch alle Gesetze zur Bekämpfung von
Scheinselbständigkeit obsolet machen dürfte. Der
Dienstleistungserbringer soll auch nicht mehr verpflichtet werden dürfen,
einen Identitätsnachweis von seiten seiner zuständigen Behörden
beizubringen. Schließlich soll es in Zukunft keinerlei gesetzliche Auflagen
mehr geben dürfen, die Ausrüstungsgegenstände oder verwendete
Materialien betreffen – eingeschränkt wiederum durch eine Klausel
betreffend Gesundheits- und Arbeitsschutz. In einem abschließenden Absatz
wird dann noch einmal wiederholt, daß die Mitgliedstaaten die
Tätigkeit ausländischer Dienstleistungsanbieter insoweit eigenen
Gesetzen unterwerfen dürfen, als diese »aus Gründen der
öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit oder der
Sozialpolitik, des Verbraucherschutzes, des Umweltschutzes und der
Volksgesundheit« als notwendig erachtet werden.
Das
Bizarre dieses letzten Absatzes besteht darin, daß eine solche
Einschränkung überhaupt nur dann Sinn macht, wenn generell eben nicht
die Gesetze des Landes der Dienstleistungserbringung, sondern die des
Herkunftslandes gelten. Genau in diesem Sinn einer Einschränkung des
Herkunftslandprinzips war diese Passage übrigens bereits in dem
erwähnten Antrag der Konservativen enthalten, der vom
Binnenmarktausschuß beschlossen wurde. Damals waren auch die
Sozialdemokraten noch der Meinung, daß solche Abmilderungen die
desaströsen Auswirkungen des Herkunftslandprinzips keineswegs relevant
verändern. Inzwischen aber hat offenbar großkoalitionäres
Umdenken eingesetzt.
Herkunftslandprinzip
erhalten Daß der Kompromißtext unverändert
auf das Herkunftslandprinzip setzt, bestätigte im übrigen auch der
konservative österreichische Abgeordnete Othmar Karas, der selbst Mitglied
des Verhandlungsteams war. Gegenüber der österreichischen Tageszeitung
Der Standard betonte er, daß zwar »der Begriff Herkunftslandprinzip
nicht mehr verwendet wird, aber das Grundprinzip bleibt« (Standard,
9.2.2006).
Am Ende enthält der Kompromißentwurf zu
Artikel 16 dann noch ein nettes Schmankerl für Gewerkschaften und soziale
Bewegungen, nämlich die Festlegung, daß die Kommission spätestens
fünf Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie in Abstimmung mit den
Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern einen Bericht über die Anwendung
dieses Artikels 16 vorlegen soll, in dem sie zugleich die Möglichkeit von
Harmonisierungen im Bereich des Dienstleistungsmarktes »erwägen«
möge. Unverbindlicher geht's nimmer. Von der ursprünglichen Forderung
nach Harmonisierung der Standards auf hohem Niveau ist damit nicht mehr
geblieben als eine zu nichts verpflichtende Absichtserklärung für die
ferne Zukunft.
Was den von der SPD gelobten Kompromiß zum
Herkunftslandprinzip also vom bisherigen Richtlinienentwurf unterscheidet, ist
weniger der konkrete Inhalt als die Schwammigkeit und Ausdeutbarkeit der
Formulierungen. Die Konzernlobby sollte damit bestens leben können, da in
letzter Instanz der Europäische Gerichtshof angerufen werden kann, um
klarzustellen, was an Regelungen im Sinne von Umwelt, Gesundheit und
öffentlicher Sicherheit tatsächlich als gerechtfertigt anzusehen ist
beziehungsweise welche Gesetze die »freie Ausübung« von
Dienstleistungstätigkeiten in unzulässiger Weise beschränken. Wie
vergangene Entscheidungen zeigen, fallen Urteile aus diesem Hause
äußerst selten zu Lasten der Wirtschaftsmächtigen aus.
Der Umfall der Sozialdemokraten betrifft allerdings nicht nur
Artikel 16 allein. Auch im Hinblick auf den Geltungsbereich der Richtlinie,
Artikel 2, haben sie sich von ihren einst verkündeten Positionen weit
entfernt. So gab es bei der Abstimmung im Binnenmarktausschuß immerhin noch
zwei gegensätzliche Anträge. Der von den Sozialisten eingebrachte und
von der Linksfraktion und den Grünen unterstützte forderte die
Ausklammerung sämtlicher Bereiche der Daseinsvorsorge – also im
EU-Jargon: aller Dienste von allgemeinem und allgemeinem wirtschaftlichen
Interesse – aus dem Geltungsbereich des Deregulierungsprojekts, um
wenigstens in diesen Sektoren ein Mindestmaß an öffentlicher
Einflußnahme zu erhalten.
Dagegen stand der Antrag
von Konservativen und Liberalen, der entsprechend dem Original der Kommission
die Einbeziehung der Daseinsvorsorge verlangte. Scheinbar abgeschwächt
wurde der neoliberale Vorstoß durch einige Bestimmungen, die besagten,
daß die Richtlinie keine Liberalisierung oder Privatisierung bisher nicht
dem Wettbewerb geöffneter Sektoren bewirken solle. Angesichts dessen,
daß es aber EU-weit kaum noch einen Sektor gibt, der nicht irgendwo bereits
dem Wettbewerb geöffnet ist, ist diese Einschränkung kaum mehr als ein
Lippenbekenntnis. Denn auch so elementare Dienste wie Bildung, Wasserversorgung
oder Abfallbeseitigung sind mit dem Markteintritt privater Anbieter längst
dem Wettbewerb geöffnet und würden mit der Richtlinie
flächendeckend dem »freien Spiel kapitalistischer
Marktkräfte« unterworfen. Bei der Abstimmung im Ausschuß fand
dieser konservativ-liberale Antrag erwartungsgemäß eine Mehrheit,
lediglich der Gesundheitssektor, die audiovisuellen Dienste und der Bereich des
Glücksspiels wurden aus dem Geltungsbereich der Richtlinie
ausgeklammert.
Lügen und
Fehlinformationen In dem neuen Kompromißtext wurde die
Reihe der Ausnahmen jetzt noch durch einige wichtige weitere Bereiche
ergänzt. So sollen auch Leiharbeits- und Zeitarbeitsagenturen ausgenommen
werden, ferner Transportdienste, Hafendienstleistungen, soziale Dienste und
Dienste von Sicherheitsagenturen. Diese Veränderungen sind nicht
nebensächlich. Dennoch bleibt es eine Tatsache, daß Kernbereiche der
öffentlichen Daseinsvorsorge wie Wasser, Abfallentsorgung oder auch Bildung
Teil des neoliberalen Machwerks bleiben und damit unter noch massiveren
Deregulierungs- und Privatisierungsdruck geraten werden, als dies bereits heute
der Fall ist.
Der von den Sozialdemokraten gefeierte
Durchbruch ist deshalb vor allen Dingen ein Durchbruch, was die eigenen Reihen
betrifft. Denen soll die Selbstaufgabe nun als großer Verhandlungssieg
verkauft werden. »Aus der neoliberalen Attacke wird geradezu ein Schutzdach
für das europäische Sozialmodell«, verklärt der Vorsitzende
der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, Martin Schulz,
sein Kungelergebnis.
Überraschend freilich kommt
der von den deutschen Sozialdemokraten organisierte Kotau auf ganzer Linie
nicht. Bereits die Festlegungen im Koalitionsvertrag von SPD und CDU waren so
gewählt, daß sie unter Umständen sogar eine Bestätigung der
Richtlinie in der vom Binnenmarktausschuß verabschiedeten Version
zugelassen hätten. Das Herkunftslandprinzip wird lediglich »in der
bisherigen Ausgestaltung« in Frage gestellt, ansonsten aber ein Hohelied
auf die herausragende Bedeutung eines »funktionierenden Binnenmarkts«
gesungen. In gleicher Intention erzählt der Dortmunder
SPD-Europaabgeordnete Bernhard Rapkay seit Wochen jedem Journalisten, er sei
sich sicher, daß man »eine Einigung« finde, da »die
Differenzen zwischen den Lagern nicht allzu groß« seien. (FAZ,
26.1.2006). Schon das von der Kapitallobby gefeierte Ergebnis der Abstimmung im
Binnenmarktausschuß bezeichnete Rapkay als »sinnvollen
Kompromiß«.
Martin Schulz erläuterte vor
einigen Wochen erstaunlich ehrlich die sozialdemokratische
Verhandlungsstrategie: »Letztlich geht es in den Gesprächen der
kommenden Wochen weniger um inhaltliche als um sprachliche Korrekturen. ... Mit
den Grundzügen der Richtlinie können die Sozialdemokraten leben
– zumindest in der Fassung, die der Binnenmarktausschuß im Herbst
beschlossen hat.«
Es bleibt zu hoffen, daß
Gewerkschaften, soziale Organisationen und alle anderen von der Richtlinie in
ihrer Existenz Bedrohten sich nicht von den präsentierten Lügen und
Fehlinformationen blenden lassen. Jetzt erst recht muß Widerstand geleistet
werden gegen die große Koalition der Sozialabbauer und Verfechter eines
entfesselten Kapitalismus in Europa. Die Richtlinie ist nicht substantiell
verändert oder eingeschränkt worden. Sie ist auch mit den angeblichen
Kompromissen das, was sie immer war – ein Freibrief für Sozialabbau,
Lohndumping und ungehemmte Profite der Großkonzerne. Mächtige
Demonstrationen gegen die Dienstleistungsrichtlinie sind deshalb dringender
nötig denn je! Die Hafenarbeiter haben vorgemacht, auf welchem Wege man
neoliberale Übeltaten aus den Think-tanks der Wirtschaftslobbys
tatsächlich beerdigen kann. Durch Arbeitskämpfe und starke
Protestbewegungen, nicht durch parlamentarische Kungelrunden.
Quelle:
http://www.jungewelt.de/2006/02-11/043.php