junge Welt vom 16.06.2004
von
Rainer
BalcerowiakDie Chefetage der »Deutschland AG« rief am
Dienstag in die Ruine des Palastes der Republik in Berlins Mitte, und alle
erschienen zum Rapport. Auf der Jahrestagung des Bundesverbandes der Deutschen
Industrie (BDI) gab sich nicht nur die Crème de la crème des deutschen
Kapitals die Ehre, auch der Bundeskanzler und die Vorsitzenden von FDP,
Grünen und CDU durften in dieser Reihenfolge ihre devote Unterstützung
für den von BDI-Chef Michael Rogowski unmißverständlich
geforderten neoliberalen Crashkurs bekunden…
Rogowski forderte
die europäischen Regierungschefs, die am Donnerstag in Brüssel
über den europäischen Verfassungsvertrag entscheiden wollen, auf, die
Begrenzung der Staatsausgaben und die Förderung der
»Wettbewerbsfähigkeit« in den Mittelpunkt zu stellen. Die
Unternehmen bräuchten »mehr Freiheit und weniger Regulierung«.
Als Beipiele für eine »verfehlte« EU-Politik nannte der
BDI-Chef die Chemikalienrichtlinie, den Emmissionshandel, die
Lebensmittelkennzeichnung und die
Tabakwerberichtlinie…
Ausdrückliches Lob hatte
Rogowski für die Bundesregierung parat. Diese habe »trotz Gegenwind
aus den eigenen Reihen« ein »wichtiges Reformpaket
geschnürt«.
Er hob dabei Lockerungen beim Kündigungsschutz,
die Absenkung der Arbeitslosenhilfe, die Verpflichtung zur Niedriglohnarbeit und
den Einstieg in die Privatisierung der Renten- und Gesundheitsvorsorge
hervor. Der BDI-Chef forderte die Politik auf, sich nicht von »der
Stimmung der Wähler« ins Wanken bringen zu lassen, sondern mutig
voranzuschreiten:
»Noch beschränken wir uns auf Reparaturen an
bestehenden Systemen. Teilweise brauchen wir aber ganz neue
Systeme«…
Bundeskanzler Gerhard Schröder
bekräftigte in seiner Rede, daß er sich auch durch die
desaströsen Wahlergebnisse seiner Partei nicht von seinem
»Reformkurs« abbringen lassen werde…
Die Menschen seien
»noch nicht fertig mit der Erkenntnis«, daß sich die
Veränderungen auch auf ihr eigenes Leben
auswirkten…
Artikel:
http://www.jungewelt.de/2004/06-16/009.php