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Grüner Arbeitsdienst
junge Welt vom 25.02.2005 Ökopartei will Ein-Euro-Jobber in
Feld und Flur schuften lassen. Berliner Abgeordnetenhausfraktion von
Bündnis 90/Die Grünen gab Gutachten in Auftrag Wenn um die
Arbeitsmarktreformen der Bundesregierung und speziell um »Hartz IV«
gestritten wird, halten sich die Bündnisgrünen am liebsten dezent im
Hintergrund. Den Ärger der Leute über »Hartz IV«,
Ein-Euro-Jobs und Arbeitslosengeld II soll möglichst nur die SPD abkriegen,
ist die Devise. Berliner Grüne kritisieren sogar oftmals diese Reformen
– jedenfalls ihre Abgeordneten im Bundestag wie Hans-Christian
Ströbele und Werner Schulz.
Ganz anders scheint die
Meinungsbildung bei der Berliner Landespartei und der Fraktion im
Abgeordnetenhaus zu verlaufen. In einem von den Berliner Grünen in Auftrag
gegebenen Gutachten jedenfalls wird zu einer »offensiven Diskussion«
aufgerufen, »um hier einen Durchbruch zu finden« – anvisiert
wird die Schaffung so vieler Ein-Euro-Jobs wie möglich. Dieser
»Durchbruch«, so die Gutachter, soll insbesondere im umstrittenen
kommerziellen Bereich stattfinden – also dort, wo die Gefahr am
größten ist, daß die schon jetzt berüchtigten Ein-Euro-Jobs
im Ergebnis keine neuen Jobs schaffen, sondern lediglich vorhandene
sozialversicherungspflichtige Arbeit ersetzen.
Erstellt wurde das Gutachten von einer in Berlin ansässigen
Consulting Agentur. Der Titel des Werks, das seit einiger Zeit in Kreisen der
Berliner Arbeitsverwaltung umläuft und junge Welt vorliegt, lautet:
»Erstellung eines fachpolitischen Handlungskonzepts für kommunale
Beschäftigung in Berlin nach Hartz IV«.
Unter
»Handlungsfelder« beschreiben die von den Grünen beauftragten
Berater, wo sie in Berlin und Umgebung Möglichkeiten der massenhaften
Beschäftigung von Ein-Euro-Jobbern sehen. Zum Beispiel: »Den Berliner
Barnim als Landwirtschafts- und Naherholungsraum sowie historisch erlebbare
Landschaft entwickeln!«. Damit sich Berliner und Brandenburger in diesem
»7000 Hektar umfassenden ländlichen Raum im Nordosten Berlins und
Brandenburgs« künftig noch besser erholen können, soll eine nicht
genannte Zahl von Ein-Euro-Jobbern möglichst schnell in diesem Gebiet zur
Arbeit herangezogen werden. Als Aufgaben für sie – »derzeit
durch die normalen Haushalte der betroffenen Bezirke wie des Landes nicht
finanzierbar«, so die Gutachter – haben die Experten unter anderem
ausgemacht die Schaffung eines »untergliederten, übersichtlichen
Wegenetzes«, die »Begrünung durch Ackerraine, Ackerrandstreifen,
Flurhecken und Feldgehölze« und andere Aufgaben. Projekte im Volumen
»hoher zweistelliger Millionenbeträge« sollen für diese
Region in den Schubladen der öffentlichen Verwaltungen liegen. »Ein
Teil von ihnen könnte in Kombination von landwirtschaftlichen und
(klein-)gewerblichen Unternehmen, örtlichen Initiativen und
verstärkter kommunaler Beschäftigung kurzfristig umgesetzt
werden«.
Da fehlt nur noch der Einsatz zu Deich- und
Autobahnbau, und wir sind nicht weit vom Reichsarbeitsdienst entfernt. Die
Gewerkschaften BAU, ver.di und NGG können sicher beziffern, wie viele
reguläre Jobs in den Bereichen Straßen- und Wegebau,
Grünflächenpflege sowie Landwirtschaft und Landschaftsgestaltung in
Berlin und Umgebung in den letzten Jahren weggefallen sind. Sollen die
entlassenen Beschäftigten jetzt ihre alte Arbeit als Ein-Euro-Jobber
fortsetzen?
»Mehrere hundert« Ein-Euro-Jobs halten die
Gutachter auch für möglich im Bereich der Energieeinsparung –
zweifellos ein originär grünes, ökologisches und nachhaltiges
Projekt. Allerdings wollen die Gutachter die Ein-Euro-Jobber auch hier
keineswegs nur im »zusätzlichen« und
»gemeinnützigen« Bereich einsetzen, wie im Gesetz gefordert,
sondern fast überall. Bei Energiesparprojekten in Krankenhäuser habe
man schon bisher mit Beschäftigten vom zweiten Arbeitsmarkt gute
Erfahrungen gemacht, meinen sie. Auch die JVA Tegel habe kürzlich mit einem
von der Berliner Energieagentur organisierten Projekt mehr als 600000 Euro
jährliche Heizkosten einsparen können.
»In Kombination
Wohneigentümer, Handwerk, kommunale Beschäftigung von Erwerbslosen und
Eigenrenovierungsarbeiten« ließe sich eine Menge Energieeinsparung
realisieren, meint die Consulting Agentur. Seit wann sind Arbeiten für
private Wohnungseigentümer »gemeinnützig«?
Von
der Pressestelle der Grünen-Abgeordnetenhausfraktion wurde zwar die
Inauftraggabe des Gutachtens bestätigt. Trotz mehrmaliger Nachfragen war
jedoch keine inhaltliche Stellungnahme zu erhalten. -----------------------
Adresse: http://www.jungewelt.de/2005/02-25/012.php
Posted: Do - Februar 24, 2005 at 11:17 nachm.
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