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SPD will Kulturlobby für Vergangenheit sein
Kurz vor der Landtagswahl bleibt den Sozialdemokraten die
Kulturpolitik im Hals stecken. Auf der Zeche Zollverein fand keine Diskussion
über die aktuelle Zukunft der Künste im Land statt - beleuchtet wurde
nur deren Stellenwert
Es gibt keine aktuelle Kulturpolitik der
nordrhein-westfälischen Sozialdemokratie. Beim prominent besetzten
dritten Jahresempfang der Kulturinitiative der NRW-SPD auf Zollverein ging es
beim innerparteilichen Frage- und Antwort-Spiel um Denkmäler,
Erinnerungstage und Geschichtskultur. "Die Arbeiterbewegung war immer auch
Kulturbewegung", sagt Wolfgang Thierse, Präsident des Deutschen Bundestages
bei seinem Eingangsstatement und steckte damit ungewollt das historischen
Zeitfenster einer Veranstaltung ab, die eigentlich über aktuelle
Kulturpolitik als Kompass in kritischen Zeiten informieren wollte. "Wir
warten auf eine interessante Rede vom Ministerpräsidenten Peer
Steinbrück", NRW Wirtschaftsminister Harald Schartau machte erstmal Mut
auf später.
Denn 40 Minuten lang ging es auf dem Podium erst einmal um eine
sinnvolle Erinnerung an den Nationalsozialismus, um das Holocaust-Mahnmal in
Berlin. Dann durfte Gründungsdirektor Ulrich Borsdorf sein Kulturinstitut
im Ruhrgebiet beschreiben - das Ruhrmuseum zum Gedächtnis an die Region. Im
Anschluss arbeitete man lang und breit den Stellenwert von Industriekultur, den
Stellenwert der Europäischen Kulturhauptstadt, den Stellenwert von
Denkmalpflege ab - "Industriedenkmäler sind eben kostenträchtige
Dinge, die wir uns an den Hals gehängt haben", sagt Bochums Kulturdezernent
Hans-Georg Küppers, der in seiner Stadt mit der Jahrhunderthalle ein Relikt
der Stahlära verwalten und bespielen muss. Ohne die hoch subventionierte
RuhrTriennale ist das wohl kaum zu finanzieren. Die Erkenntnis ist nicht
brandneu, aber was soll Küppers schon antworten, selbst gestandene
SPD-Kulturpolitikerkollegen verdrehen bei den langweiligen Fragen die Augen.
Frisches Pils und sanfte Ruhesessel im Hintergrund werden immer
begehrter.
Dann endlich kommt Peer Steinbrück und wird
neben Wahlkölnerin Renan Demirkan aufs Podium gesetzt. Die
angekündigte Rede zur Kulturpolitik hält der Ministerpräsident
nicht. "Wir brauchen Kultur, damit uns die Gesellschaft nicht um die Ohren
fliegt", sagt er. Die Fliehkräfte nach außen nähmen zu.
Konflikte zwischen Alt und Jung, Arbeitnehmer und Arbeitslosen auch. Die
Lösung in einer "entfesselten Marktwirtschaft zu suchen sei ein Irrtum".
Kultur sei auch Wirtschaftsfaktor. Fünf Genossen aus Essener
Ortsvereinen klatschen begeistert.
"Kultur darf nicht nur
Hilfsinstrument sein", widerspricht die ehemalige NRW-Kulturministerin Ilse
Brusis, und schon gar nicht nur für kritische Zeiten. Sie hat 1996 die
regionale Kulturpolitik ins Leben gerufen, die heute förderpolitisch nur
noch ein Schattendasein führt. "Darüber müssen wir noch einmal
diskutieren", sagt sie schnell. Der Ministerpräsident duldet in
Wahlkampfzeiten keinen Widerspruch. In schlechten Zeiten nähme das
Interesse an Impulsen aus der Kultur zu, auch die Religionen als Sinnstifter
würden stärker, so Steinbrück. Das läge auch daran,
das von den Intellektuellen keine Impulse mehr kämen. Was soll die SPD da
machen? PETER ORTMANN
taz NRW Nr. 7644 vom 20.4.2005,
Seite 2, 103 TAZ-Bericht PETER ORTMANN
Posted: Mi - April 20, 2005 at 03:37 nachm.
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