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»Hartz«-Opfer wehren sich
junge Welt vom 05.02.2005 Berlin: 3. Versammlung der
Ein-Euro-Jobber sucht Wege der Selbstorganisierung. Arbeitslose und Aktivisten
planen spektakuläre Aktionen Damiano
Valgolio »Jetzt bleibt uns nur die Nadelstichtaktik«, sagt
Rainer Großkopf aus Berlin-Oberschöneweide, »und dafür ist
die Selbstorganisierung der Betroffenen wichtig«. »Hartz IV«
konnte nicht verhindert werden. Rund einen Monat nach der Einführung von
ALG II und Ein-Euro-Jobs überlegen in der Bundeshauptstadt nun Arbeitslose
und Aktivisten, wie man sich in Zukunft wehren soll. Der große Saal im
Kreuzberger »Familiengarten« ist am Donnerstag abend gut gefüllt.
Es liegen Plakate zum Mitnehmen aus. Mit einem Geier drauf und dem Slogan:
»Hartz IV: Bei Ihnen ist auch noch was zu holen.«
junge Welt vom
05.02.2005
Inland
»Hartz«-Opfer
wehren sich
Berlin: 3. Versammlung der Ein-Euro-Jobber sucht
Wege der Selbstorganisierung. Arbeitslose und Aktivisten planen
spektakuläre Aktionen
Damiano Valgolio
»Jetzt bleibt uns nur die Nadelstichtaktik«,
sagt Rainer Großkopf aus Berlin-Oberschöneweide, »und dafür
ist die Selbstorganisierung der Betroffenen wichtig«. »Hartz IV«
konnte nicht verhindert werden. Rund einen Monat nach der Einführung von
ALG II und Ein-Euro-Jobs überlegen in der Bundeshauptstadt nun Arbeitslose
und Aktivisten, wie man sich in Zukunft wehren soll. Der große Saal im
Kreuzberger »Familiengarten« ist am Donnerstag abend gut gefüllt.
Es liegen Plakate zum Mitnehmen aus. Mit einem Geier drauf und dem Slogan:
»Hartz IV: Bei Ihnen ist auch noch was zu holen.«
Rund 60
»Hartz«-Gegner nehmen an der 3. Versammlung der Ein-Euro-Jobber teil.
Die meisten fürchten, bald zu einem der Billigjobs gezwungen zu werden.
Einige arbeiten bereits 30 Stunden die Woche für eine
»Aufwandsentschädigung« von monatlich rund 160 Euro. Rainer
Großkopf ist bis Juli auf der sicheren Seite. Solange bekommt er
Übergangsgeld, danach ist auch er voraussichtlich auf ALG II angewiesen.
Wieviel er dann weniger bekommt, ist noch nicht ganz klar. »Meine Situation
wird sich jedenfalls gewaltig verschlechtern«, so Großkopf. Seine Frau
ist Frührentnerin, nach den neuen Regelungen zur sogenannten
Bedarfsgemeinschaft schmälert ihre Rente seine Ansprüche. Besonders
ärgert den 49jährigen als ehemaliges Mitlied der PDS, daß auch
die Sozialisten in Berlin die Einführung der Ein-Euro-Jobs
unterstützen. »Ich habe schon an Parteichef Stefan Liebig geschrieben,
das ist eine Schweinerei.«
Arbeitsgruppen gebildet
So sehen das alle unter den versammelten Hartz-Gegnern. Doch ihr Dilemma:
Für viele ist der Zuverdienst durch die Billigjobs die einzige
Möglichkeit, ihren ALG-II-Satz aufzubessern. Nach kurzer Diskussion einigt
man sich. Natürlich müssen die Ein-Euro-Jobs weiter politisch
bekämpft werden. Gleichzeitig soll denjenigen, die von dem Arbeitszwang
betroffen sind, möglichst effektiv geholfen werden. Dafür haben die
Aktivisten schon bei ihrem ersten Treffen eine »AG Recht«
gegründet. Die Arbeitsgruppe arbeitet Muster für Widerspruchsschreiben
aus und will eine professionelle Rechtsberatung organisieren. Eine andere AG der
Betroffenenversammlung will untersuchen, wie die Situation der Ein-Euro-Jobber
bei den verschiedenen Trägern in Berlin konkret aussieht.
Die
Gruppe für Öffentlichkeitsarbeit plant »spektakuläre
Aktionen«, um zu zeigen, wie wenig man für den ALG-II-Satz von 345
bzw. 331 Euro kaufen kann. Und es gibt die »Arbeitsgruppe Streik«.
Dort ist Klaus Freudigmann aktiv. Er ist seit dem 31. Januar arbeitslos, weil
die Mittel für seine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gekappt wurden.
Bislang hat er in Ostberlin Kinder und Jugendliche betreut. »Bald machen
das auch Ein-Euro-Jobber«, sagt Freudigmann. »Wir wollen effektive
Proteste organisieren, gemeinsam mit den regulär Beschäftigten.«
Die drohende Pleite des Bauunternehmens Walter Bau sei ein Ansatzpunkt.
»Wer noch Arbeit hat ist auch von ›Hartz IV‹ bedroht, viele
könnten von den Ein-Euro-Jobbern verdrängt werden.«
Ver.di sucht Kontakte
Claus Lock, zuständig für den
Erwerbslosenbereich beim ver.di-Bezirk Berlin, sieht durchaus Chancen für
eine Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und den Billig-Jobbern. Vor allem
die Personalräte der Einrichtungen, die Ein-Euro-Stellen schaffen wollen,
wenden sich verstärkt an ver.di. »Wir müssen dafür sorgen,
daß die Hartz-Betroffenen in die betriebliche Mitbestimmung einbezogen
werden.« Die rechtliche Seite sei nicht ganz klar. Außerdem
müßten die Personalräte streng darauf achten, daß
Ein-Euro-Jobs nur in zugelassenen Bereichen angeboten werden. Schließlich
unterstreicht Gewerkschafter Lock: »Wir werden die Kontakte zu den
organisierten Betroffenen ausbauen und sie unterstützen, wo wir
können.«
----------------------- Adresse:
http://www.jungewelt.de/2005/02-05/016.php
Posted: Di - Februar 8, 2005 at 08:01 vorm.
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