|
|
Geschlossene Arbeitsgesellschaft
taz Ruhr Nr. 7505 vom 4.11.2004: Die Arbeitslosenquote bleibt
hoch, das Sozialforum Ruhr schloss deshalb symbolisch die Agentur für
Arbeit in Gelsenkirchen. Der Agenturchef glaubt an die Marktdynamik und tut nur
seine Pflicht Gestern blieb die Agentur für Arbeit in
Gelsenkirchen geschlossen - symbolische 45 Minuten lang. Die Schließung war
Teil einer bundesweiten Aktionswoche, mit der zu einer Demonstration bei der
Bundesagentur in Nürnberg am Samstag mobilisiert wird. Etwa 40
Mitglieder des ,Sozialforums Ruhrgebiet' blockierten mit Umzugskartons und
Flatterband den Agentur-Eingang. Auf dem Vordach postierten sich
DemonstrantInnen mit einem Transparent. Die BesucherInnen wurden zum
Seiteneingang geleitet. "Wir wollen nicht, dass jemand Ärger mit der
Behörde bekommt", sagte Sozialforumssprecher Dirk Weber, doch der
Aktionstag müsse sein: "Heute ist wieder die rituelle Verkündung der
neuesten Arbeitsmarktzahlen".
Vor den Türen des einstigen Arbeitsamtes stand das Arbeitslosengeld
II in der Kritik: Die Leistungen würden an die Armutsgrenze gedrückt,
mit Hartz IV werde eine "Verfolgungsbetreuung" zum Leitbild: Arbeitslose
würden "ausgeschnüffelt". Eine Arbeitsvermittlung oder Qualifizierung
finde nicht mehr statt. "Diese Arbeitsagentur hat keine Existenzberechtigung und
sollte geschlossen werden", so der Mann am Megafon. Viele "KundInnen"
teilten die Kritik, doch die Forderungen des Sozialforums seien zu radikal. Ein
Pendeln zwischen Qualifizierung, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und
Arbeitslosigkeit - das sei seine Arbeitsbiografie, erklärte jemand, ohne
seinen Namen zu nennen: "Ich will keinen Ärger riskieren. Wenn kein Wunder
geschieht, schlägt Hartz auch bei mir zu." Die MitarbeiterInnen
zeigten weniger Verständnis. Sie versuchten, die Kartons aus dem Eingang zu
räumen, ihr Chef eilte zum Streifenwagen. Die Sicherheit der
DemonstrantInnen auf dem Vordach sei gefährdet, die Arbeit der
Arbeitsagentur werde eingeschränkt, so Agenturleiter Klaus Buchholz. Also
wurde das Vordach geräumt und Buchholz in eine Diskussion
verwickelt. Auch wenn Hartz IV verunsichere, sei der Arbeitsmarkt
dynamisch: "Zurzeit können wir 3.000 neuen Arbeitslosenmeldungen 3.000
Vermittlungen entgegenstellen." Rund 1.750 Menschen hätten sich
selbständig gemacht, 4.000 würden qualifiziert. Erst die Kritik
an künftig eingeschränkten Zuverdienstmöglichkeiten brachte
Buchholz ins Schwimmen: Er könne sich nicht vorstellen, dass die
Zuverdienstmöglichkeiten verschlechtert werden, sagte Buchholz, und zog
einen Experten zu Rate. Doch auch der konnte ihm nicht helfen: "Bei der Annahme
von 400-Euro-Jobs werden künftig rund 105 Euro abgezogen, bislang 35 Euro."
Sei's drum, konstatierte Buchholz, man habe das Gesetz nicht gemacht, habe es
jetzt aber umzusetzen. Agenturchef und Aktivisten gingen auseinander,
vorerst. Beim Abzug skandierten die Demonstranten "Heute ist nicht alle Tage,
wir kommen wieder, keine Frage" - am 3. Januar ist es so weit. Zum Start von
Hartz IV ist wieder ein "Agenturschluss" geplant.
taz Ruhr Nr. 7505
vom 4.11.2004, Seite 1, 102 TAZ-Bericht MANFRED WIECZOREK
Posted: Do - November 4, 2004 at 09:36 vorm.
>
|
|
|