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Steuern
sind nicht nur KostenKonzept für eine "Solidarische
Einfachsteuer" / Auszüge aus der von der Gewerkschaft Verdi und der
Attac-Bewegung entwickelten IdeeMit der Steuer geht's auch
einfacher und vor allem gerechter als bisher, sagen die Dienstleistungs-
gewerkschaft Verdi und die Attac-Bewegung: Die Bürger sollen entlastet,
Ausnahmen gestrichen, Möglichkeiten, Gewinne durch Tricks klein zu rechnen,
eingeschränkt und die Kapitalflucht ins Ausland gestoppt
werden.Die
von uns vorgeschlagene "Solidarische Einfachsteuer" beruht auf den folgenden
Leitlinien:
Gerechtigkeit: Vor allem muss die Verteilung der
Steuerlast sozial gerecht gestaltet werden. Dazu dient das Prinzip der
ökonomischen Leistungsfähigkeit, die sowohl im Einkommen als auch im
Vermögen zum Ausdruck kommt. Daraus lässt sich eine progressive
Einkommensteuer ableiten, die dafür sorgt, dass mit dem Einkommen auch der
Anteil der davon zu entrichtenden Einkommensteuer zunimmt. Nach einem
exis-tenzsichernden Grundfreibetrag gilt bis zum "Spitzeneinkommen" eine Zone
linearer Progression (konstant steigender Grenzsteuersatz), danach ein
Spitzensteuersatz.
Gesamtes Einkommen versteuern: aus dem Prinzip der
Leistungsfähigkeit ergibt sich die Notwendigkeit einer "synthetischen",
umfassenden und gleichmäßigen Besteuerung des gesamten Einkommens: Das
heißt, alle Einkommensarten, die durch erwerbswirtschaftliche
Aktivitäten außerhalb der Privatsphäre entstehen, sind
grundsätzlich steuerpflichtig, werden zusammengerechnet und in vollem
Umfang nach einem einheitlichen Steuertarif belastet. Eine separate
(ermäßigte) Besteuerung einzelner Einkünfte
("Schedulenbesteuerung"), wie sie mit der Forderung nach einer Abgeltungsteuer
auf Zinseinkünfte von z.B. 25 Prozent oder einer ermäßigten
Besteuerung aller Kapitaleinkünfte im Rahmen einer "Dualen Einkommensteuer"
propagiert wird, widerspricht dieser Idee. Dies schließt unterschiedliche
Techniken der Besteuerung nicht aus, beispielsweise den Quellenabzug bei
Lohnsteuer und Kapitalertragsteuern oder die Veranlagung bei den Einkommen der
Selbstständigen oder bei den Kapitaleinkünften. Nur müssen sie zu
einer ökonomisch gleichen Belastung führen, also nicht einzelne
Einkünfte (v.a. aus Kapitalvermögen) faktisch
privilegieren.
Schlupflöcher stopfen: Wir wollen die effektive
Besteuerung am Verlauf der tariflichen Steuersätze ausrichten. Dazu sind
die vielen Steuerschlupflöcher zu stopfen und die nicht begründbaren
Steuervorteile abzubauen, damit steigende Steuersätze nicht durch
umfangreiche Möglichkeiten zur Verringerung des zu versteuernden Einkommens
erodiert werden. Die Steuerflucht ins Ausland ist effektiv zu bekämpfen,
Steuersparmodelle, insbesondere im Bereich Vermietung und Verpachtung, sind zu
beseitigen. Ziel ist, die tatsächlichen ökonomischen Gewinne und
Einkommen periodengerecht zu erfassen und gleichmäßig zu besteuern.
Bei der Unternehmensbesteuerung dürfen keine Gewinne mehr in der Bilanz
versteckt werden (stille Reserven); privat veranlasste Aufwendungen dürfen
die steuerpflichtigen Einkünfte nicht schmälern;
Veräußerungsgewinne sind grundsätzlich steuerpflichtig
(außer privat genutztem Vermögen); Möglichkeiten zur Minderung
der steuerlichen Bemessungsgrundlage (Rückstellungen, Abschreibungen) sind
auf ein ökonomisch begründetes Ausmaß einzuschränken.
Förderungsziele, die bisher die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer
reduzierten (z.B. Freibeträge oder Sonderabschreibungen), sind zwar nicht
grundsätzlich abzulehnen. In vielen Fällen wäre es aber
transparenter, zielgenauer und gerechter, direkte Finanzzuschüsse für
bestimmte förderungswürdige Zwecke (z.B. Investitionen in Umweltschutz
oder For-schung) zu gewähren.
Öffentliche Leistungen
finanzieren: die öffentlichen Haushalte der Gebietskörper-schaften
müssen fiskalisch künftig so ausgestattet werden, dass sie vor allem
die für die Wirtschaft und Gesellschaft wichtigen allokativen,
distributiven und stabilitätspolitischen Aufgaben wahrnehmen können.
Im Unterschied zum vorherrschenden Zeitgeist sind Steuern eben nicht nur Kosten,
sondern sie sichern die Finanzierungsbasis für öffentliche Leistungen,
die den Steuerzahlern zugute kommen.
Alle Einkommen
gleichmäßig und progressiv besteuernWir wollen wieder
eine gerechte Belastungsdifferenzierung herstellen zwischen Armen und Reichen,
zwischen Arbeitnehmern, Selbstständigen und Rentnern, zwischen Jung und
Alt. Deswegen bleiben wir bei einem progressiven Tarif. Auch die
Geschlechtergerechtigkeit ist bei der Ausgestaltung der Einkommensbesteuerung zu
beachten. Dazu müssen alle Einkommen der Steuerpflichtigen erfasst und
einem einheitlichen Steuertarif unterworfen werden. Eine gleichmäßige
Besteuerung aller Einkommen ist auch wirtschaftspolitisch angezeigt, weil viele
unsinnige Lenkungswirkungen des gegenwärtigen Systems vermieden
werden.
Alle Einkünfte, die durch erwerbswirtschaftliche
Aktivitäten außerhalb der Privatsphäre entstehen, sind
grundsätzlich steuerpflichtig. Steuerfrei bleiben lediglich Eigenleistungen
im privaten Haushalt, selbst genutztes Privatvermögen (eigene Wohnung etc.)
und Transfers wie Sozialhilfe, Wohngeld, Stipendien etc.
Bei der
Einkommensermittlung müssen Erwerbskosten (Betriebsausgaben,
Werbungskosten) abgezogen werden. Ziel ist, die wirklichen, in der Periode
entstehenden Gewinne und Einkommen zu erfassen. Steuervergünstigungen
müssen gestrichen und Gestaltungsmöglichkeiten vor allem bei der
Gewinnermittlung soweit wie möglich reduziert werden. Ausgaben der privaten
Lebensführung dürfen nicht abgezogen werden, bei teilweise privat
motivierten Aufwendungen wie z.B. Bewirtungskosten, Arbeitszimmer in
Privatwohnung sind strenge Maßstäbe und Höchstbeträge
anzuwenden. "Liebhaberei" darf nicht steuerlich anerkannt werden, also wenn
jemand private Interessen als Erwerbstätigkeit deklariert und die dabei
entstehenden Verluste verrechnen will, etwa bei Galerien, Reitställen oder
der Vermietung von Ferienhäusern, Yachten etc.
Je mehr es
gelingt, die tatsächlichen Gewinne und Einkommen zu erfassen und die
Bildung von stillen (steuerfreien) Reserven zu unterbinden, desto weniger ist
eine Begrenzung des Verlustausgleichs zwischen den Einkunftsarten oder auf der
Zeitachse (Verlustvortrag) erforderlich. Für die Alt-Verluste aus dem
bisherigen System werden allerdings die gegenwärtigen Beschränkungen
bei der Nutzung des Verlustvortrags beibehalten, um das
Unternehmenssteueraufkommen zu stabilisieren.
Mehr Geld für
sinnvolle öffentliche ZukunftsaufgabenDie öffentlichen
Haushalte sind schon seit Jahren in einer scheinbar ausweglosen Lage: Auf Grund
der schwachen Konjunktur, aber auch der Steuersenkungsreformen der letzten Jahre
brechen die Steuereinnahmen ein; die Ausgaben für Arbeitslosengeld und
-hilfe sowie Sozialhilfe steigen, weil immer mehr Menschen arbeitslos werden und
die sozialen Probleme zunehmen. Auch die deutsche Wiedervereinigung verursacht
nach wie vor Ausgabenbedarf. Gleichzeitig haben die öffentlichen
Ausgabenbedarfe unabhängig von den konjunkturbedingt gewachsenen sozialen
Bedarfen zugenommen und werden in Zukunft weiter zunehmen, auch wenn das der
wirtschaftspolitische Zeitgeist nicht wahrhaben will: Investitionen in die
Schul- und Hochschulbildung, in die flächendeckende Kinderbetreuung, in
Forschung, in kommunale und ökologische Infrastruktur stehen auf der Agenda
aller politischen Parteien zumindest der Rhetorik nach ganz oben. In der
praktischen Politik jedoch fällt die Sozialpolitik, fallen aber auch die
zentralen Zukunftsausgaben zunehmend einer strengen Sparpolitik zum Opfer - der
Staat hat kein Geld.
Die Finanznot der öffentlichen Haushalte
ist aber nicht einfach naturgegeben oder Resultat der Konjunkturkrise. Sie ist
vielmehr zu einem erheblichen Teil darauf zurückzuführen, dass sich
die Regierungen durch Steuerreformen selbst das Wasser abgegraben haben:
Großzügige Nettoentlastungen - vor allem zu Gunsten der Wohlhabenden
und gut Verdienenden sowie der Unternehmen - reißen bei weiter bestehenden
Ausnahmen und Steuervergünstigungen große Löcher in die
öffentlichen Haushalte. Unter Hinweis auf die Untragbarkeit der hohen
Staatsverschuldung und das Damoklesschwert des EU-Stabilitätspakts wird
jetzt hektisch auf der Ausgabenseite gekürzt. Auf der Strecke bleiben die
soziale Sicherung und die Zukunftsaufgaben. Eine Politik der Steuerentlastungen
dient so letztlich dem vordergründig populären Ziel, den staatlichen
Einfluss zurückzudrängen - Motto: Nur ein armer Staat ist ein guter
Staat. Dabei ist der staatliche Einfluss in Deutschland nicht zu groß - die
Steuer- und Abgabenquote liegt im internationalen Vergleich nur im Mittelfeld,
die eigentliche Steuerquote sogar niedrig. Angesichts der unerledigten
Zukunftsaufgaben sind die öffentlichen Ausgaben eher zu niedrig. In
Deutschland ist der Anteil der öffentlichen Investitionen am
Bruttoinlandsprodukt in den letzten zehn Jahren ständig gefallen und liegt
nun bei nur noch 1,6 Prozent, während der EU-Durchschnitt ziemlich stabil
blieb und bei 2,4 Prozent liegt. Allein um diesen Rückstand aufzuholen,
müssten die öffentlichen Investitionen in den nächsten Jahren um
16 Milliarden Euro steigen.
Weil die Menschen aber einen
handlungsfähigen, sozial gerechten und zukunftsfähigen Staat brauchen,
haben Nettoentlastungen in unserem Steuerkonzept keinen Platz. Das heißt,
Senkungen der Steuersätze werden nur so weit vorgenommen, wie sie durch
Abbau von Steuervergünstigungen finanziert werden können. Unser
Konzept bringt zur Finanzierung zentraler Zukunftsaufgaben ein deutliches
Mehraufkommen gegenüber dem geltenden
Gesetz.
Bemessungsgrundlage: Vier Einkommensarten
reichen(. . .) Wir schlagen vier Haupt-Einkunftsarten vor, an
denen sich die Modernisierung des Einkommensteuerrechts orientieren
kann:
a. Einkünfte aus unternehmerischer und freiberuflicher
Tätigkeit: Hierin gehen alle Einkünfte aus selbstständiger
Tätigkeit ein, also die bisherigen Einkünfte aus Land- und
Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit (vor allem
Freiberufler) sowie die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Für
Unternehmen gilt grundsätzlich ein spezielles Steuerbilanzrecht, das auf
eine konsequente periodengerechte Ermittlung des ökonomischen Gewinns im
Sinne des Reinvermögenszugangs ausgerichtet ist. Für Kleinunternehmen
und private Vermietung gilt eine vereinfachte Steuerbilanz, die sich an der
gegenwärtigen Überschussrechnung orientiert, jedoch Abschreibungen auf
das Anlagevermögen berücksichtigt und gravierende
Gestaltungsmöglichkeiten vermeidet.
b. Einkünfte aus
nichtselbstständiger Arbeit: Hierin finden sich - wie bisher - die
Arbeitseinkommen einschließlich der geringfügigen Beschäftigung
sowie die Abgeordnetenbezüge.
c. Einkünfte aus
Kapitalvermögen: Diese enthalten sämtliche Einkünfte aus
Kapitalanlagen, also Zinsen, Dividenden und andere Gewinnausschüttungen von
Kapitalgesellschaften sowie die Gewinne aus der Veräußerung der
betreffenden Kapitalanlagen.
d. Versorgungseinkünfte und
sonstige Einkünfte: Alle Alters- und Versorgungseinkünfte sollen
längerfristig einheitlich und "nachgelagert" besteuert werden, also die
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der betrieblichen
Altersvorsorge, die Beamten- und Abgeordnetenpensionen sowie andere Leibrenten,
soweit die dazu geleisteten Beiträge als Vorsorgeaufwendungen von der
Bemessungsgrundlage abzugsfähig sind. (. . .)
© Frankfurter
Rundschau online 2004