F: Sie haben die Bundesagentur für Arbeit (BA) zur Rücknahme
der Formulare zum sogenannten Arbeitslosengeld II aufgefordert. Was sind Ihre
wichtigsten Kritikpunkte?
Es werden in den Antragsformularen viele
Fragen gestellt, die zum Teil schwerwiegend gegen den Datenschutz
verstoßen. Ein Formular muß dem Arbeitgeber eines Antragstellers
vorgelegt werden. Diese Bescheinigung fragt nach den
Einkommensverhältnissen der in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen, das
heißt, der Arbeitgeber bekommt unmittelbar mit, wie die
Einkommensverhältnisse des Partners oder eheähnliche Partner sind.
Damit werden dem Chef die sozialen Schwierigkeiten von Verwandten und Partnern
des Arbeiters bekannt. Die Betroffenen stehen dann natürlich unter
doppeltem Druck, weil der Arbeitgeber Informationen erlangt, mit denen er seinen
Arbeitnehmer unter Druck setzen kann und die ihn einfach nichts angehen. Auch
werden die Adressen und Bankverbindungen der Vermieter abgefragt. Somit
würde die bundesweit größte Datenbank über Vermieterangaben
entstehen. Dabei ist völlig unklar, wozu eine solche Vermieterdatenbank
gebraucht wird. Diese Reihe setzt sich mit weiteren Fragen fort. Es werden Daten
über Angehörige abgefragt, obwohl es dafür keinen Rechtsgrund
gibt. Ich habe insgesamt elf datenschutzrechtliche Verstöße entdeckt,
und so dürften die Formulare einfach nicht rausgehen.
F: Der
Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Peter Schaar, teilt die Bedenken,
die Sie haben?
Wir haben vor zwei Wochen die ersten uns bekannten
Formulare an den Datenschutzbeauftragten gegeben und an den zuständigen
Sachbearbeiter. Auch dort wird gesehen und anerkannt, daß da erhebliche
Probleme vorliegen, und es wurde auch als äußerst unglücklich
angesehen, daß es da wohl vorher keinerlei Abstimmung zwischen der BA und
dem Datenschutzbeauftragten gegeben hat.
F: Sind jetzt Schritte vom
Datenschutzbeauftragten zu erwarten?
Ich hoffe es. Es gibt eine
Pressemitteilung von Herrn Schaar vom 5. Juli. Hierin schießt er der
Bundesagentur für Arbeit einen Warnschuß vor den Bug. Zudem kritisiert
Schaar die großspurig angekündigten Hausbesuche, die BA-Mitarbeiter
machen sollen. Schaar wendet sich also gegen eine
»Arbeitslosenpolizei«, da private Wohnungen grundgesetzlich
geschützt sind. Und zum anderen hat er in dieser Pressemitteilung auch
deutlich gemacht, daß er große Schwierigkeiten mit den
Antragsformularen habe. Dies ist positiv für uns.
Was empfehlen
Sie dem Betroffenen, der jetzt so ein Formular bekommt?
Ich empfehle
den Betroffenen, die datenschutzrelevanten Sachverhalte nicht auszufüllen.
Welche das sind, ist der Kritik auf unserer Website zu entnehmen.
Es
wird dazu wohl noch eine abschließende Stellungnahme, zumindest vom
Datenschutzbeauftragten geben, und ich hoffe, daß zumindest die BA die
entsprechenden Teile des Antrages schwärzt oder die Anträge ganz
zurückzieht. Die Bundesagentur könnte ihren öffentlich Fehler
eingestehen und erklären, daß diese Teile nicht auszufüllen sind.
Das wäre zumindest das optimale Ziel unserer Aktivitäten.
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www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2004/ALG_II_datenschutz.html
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