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Wie kann ein Antragsteller bei der Beantragung von ALG II seine
Datenschutzrechte wahren?
Die neue Leistung „Grundsicherung für
Arbeitssuchende“, abgekürzt
„Arbeitslosengeld II“ (ALG II) genannt, soll ab 01.01.2005
die Arbeitslosenhilfe und teilweise die Sozialhilfe ersetzen.
Seit
Juli 2004 erhalten 2,2 Millionen Empfänger von Arbeitslosenhilfe von der
Bundesagentur für Arbeit zentral aus Nürnberg Antragsvordrucke
zugesandt. Es wurden Anlaufstellen für Fragen eingerichtet und
zusätzliches Personal eingestellt, um den zu erwartenden Ansturm auffangen
zu können. Zeitgleich wurde eine Kundenhotline (01801 – 012012)
freigeschaltet.
Der Antragsvordruck umfasst nicht weniger als 16
Seiten! Bei einer Vielzahl der Fragen wurde in Frage gestellt, ob die
Informationen wirklich für die Feststellung des Anspruchs auf
Arbeitslosengeld II erforderlich sind. Nur dann wäre diese Datenerhebung
rechtlich zulässig. Schon früh wiesen Datenschutzbeauftragte,
Verbraucherschutzorganisationen und Selbsthilfegruppen auf entsprechende
Bedenken hin.
Die Sozialämter in
Schleswig-Holstein gehen überwiegend einen anderen Weg bei der
Antragstellung von bisherigen Sozialhilfeempfängern. Zunächst wurde
lediglich ein Informationsschreiben, verbunden mit einer Einladung an die
Hilfeempfänger übersandt. Die Sozialämter beabsichtigen, die
Antragsvordrucke mit den in den Sozialhilfeakten vorhandenen Daten
„vorzubereiten“, um den Hilfesuchenden die Antragstellung zu
erleichtern. Verschiedene Sozialämter in Schleswig-Holstein überlegen,
den Antragsvordruck der Bundesagentur für Arbeit abzuändern oder
womöglich gar nicht zu verwenden. Offensichtlich ahnte man, wie groß
die Verwirrung und der Beratungsbedarf der Antragsteller sein
würde.
Auch die Bundesagentur für Arbeit hat
zwischenzeitlich auf die anhaltende Kritik reagiert.
Die
Bürgerbeauftragte für Soziale Angelegenheiten und das Unabhängige
Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein möchte mit den
folgenden Hinweisen den aktuellen Stand der Diskussion zusammenfassen und
den Hilfesuchenden darlegen, wie es möglich ist, bei der Beantragung von
Arbeitslosengeld II die eigenen Datenschutzrechte zu wahren.
Muss
ich diesen Antragsvordruck überhaupt verwenden?
Teilweise
wird in Frage gestellt, ob eine Pflicht zur Nutzung der vorliegenden Vordrucke
besteht. Bei aller Kritik an diesem sollte den Behörden keine unnütze
Mehrarbeit auferlegt werden. Daher empfehlen wir den Hilfesuchenden die Nutzung
der bisherigen Formulare und einen datenschutzbewussten Umgang damit, bis
datenschutzgerecht gestaltete, einheitliche Vordrucke vorgelegt
werden.
Zur Vereinfachung werden die folgenden Anregungen und Tipps
in der Reihenfolge dargestellt, wie der Antragsvordruck von den Hilfesuchenden
auszufüllen ist.
• I. Allgemeine Daten des Antragstellers/ der Antragstellerin
• II. Persönliche Verhältnisse
• II. Persönliche Verhältnisse der mit dem
Antragsteller/der Antragstellerin in einem Haushalt lebenden weiteren
Personen
• IV. Leistungen für besondere Mehrbedarfe
• VIII. Unterhaltspflichtige Angehörige außerhalb der
Haushaltsgemeinschaft
• X. Weitere Angaben, die für die Leistungsgewährung von
Bedeutung sein können
• Zusatzblatt 1 zur Feststellung der angemessenen Kosten für
Unterkunft und Heizung
• Zusatzblatt 2 Einkommenserklärung /
Verdienstbescheinigung
• Zusatzblatt 3 zur Feststellung des zu berücksichtigenden
Vermögens
• Zusatzblatt 4 zur Eintragung weiterer Angehöriger
Antrag auf Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)
I. Allgemeine Daten des Antragstellers/ der
Antragstellerin
Angabe Telefonnummer
Die Angabe der
Telefonnummer (mit Vorwahl) und/oder E-Mail-Adresse für Rückfragen ist
freiwillig.
Angabe Bankverbindung
Es wird
gefordert, dass Sie, falls Sie kein Girokonto haben und auch keines
eröffnen können, hierfür einen Nachweis durch eine Bescheinigung
einer Bank oder Sparkasse erbringen.
Eine solche Bescheinigung kann
nicht zwingend von Ihnen verlangt werden. Jedoch müssen Sie gemäß
§ 47 SGB I i.V.m. § 42 SGB II die Kosten für eine
Postbar-Anweisung selbst tragen, wenn Sie diese ausdrücklich wünschen
oder es in Ihrem Verschulden liegt, dass Sie kein Konto eröffnen
können. Nur wenn Sie eine dahingehende Bescheinigung einer Bank oder
Sparkasse vorlegen, dass es nicht in Ihrem Verschulden liegt, dass Sie kein
Konto eröffnen können, sind Sie nicht verpflichtet, die Kosten
für die Postbar-Anweisung zu tragen.
Leider ist derzeit noch
nicht absehbar, inwieweit die Arbeitsämter bzw. Sozialämter die
Möglichkeit einer kostenfreien Barauszahlung ermöglichen (was aus
datenschutzrechtlicher Sicht zu begrüßen wäre).
II. Persönliche Verhältnisse
Angaben über den
getrennt lebenden Ehegatten / eingetragenen Lebenspartner (Seite
2)
Diese Felder sollten Sie bzw. Ihr derzeitiger
Lebenspartner nur ausfüllen, wenn Sie nicht Mitglied in einer gesetzlichen
Krankenkasse sind und das 23. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Nur dann
ist zu prüfen, ob die Möglichkeit einer Familienversicherung
besteht.
Angaben zu der Mutter und/oder dem Vater bei
Antragstellern, die das 23. Lebensjahr vollendet haben (Seite
2)
Diese Felder müssen Sie nicht
ausfüllen.
Wenn Sie mit Ihrer Mutter/Ihrem Vater in einer
Bedarfsgemeinschaft leben, werden alle nötigen Informationen unter III. des
Antragsvordruckes erfragt. Sofern Sie mit Ihrer Mutter/Ihrem Vater nicht in
einer Bedarfsgemeinschaft leben, werden alle nötigen Daten unter VIII. des
Antragsvordruckes erfragt.
II. Persönliche Verhältnisse
der mit dem Antragsteller/der Antragstellerin in einem Haushalt lebenden
weiteren Personen
Es sind lediglich Angaben zu den Personen zu
machen, mit denen der Antragsteller in einer Bedarfsgemeinschaft lebt.
Über Personen, mit denen der Antragsteller zwar in einem Haushalt, aber
nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebt (z. B. Wohngemeinschaft), dürfen
und müssen an dieser Stelle keine Angaben gemacht werden.
Aber
Achtung: Gemäß § 9 Abs. 5 SGB II wird vermutet, dass
Hilfebedürftige, sofern sie in einer Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten
oder Verschwägerten leben, von diesen Leistungen erhalten, soweit dies nach
deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann. Der Vordruck
berücksichtigt dies leider überhaupt nicht. Wenn der Vordruck
ansonsten ein Zuviel an Fragen aufweist, so sind es an dieser Stelle zu
wenig.
IV. Leistungen für besondere Mehrbedarfe
Mehrbedarf für Schwangere
Vorlage
Mutterpass
Sie müssen nicht den Mutterpass vorlegen.
Den Mehrbedarf für Schwangere erhalten Sie erst ab der 12.
Schwangerschaftswoche. Als Nachweis hierfür ist eine ärztliche
Bescheinigung ausreichend. Der Mutterpass selbst enthält eine Vielzahl von
medizinischen Daten, die nicht erforderlich sind.
VIII.
Unterhaltspflichtige Angehörige außerhalb der
Haushaltsgemeinschaft
Wann müssen Sie Angaben über
Verwandte ausserhalb der Haushaltsgemeinschaft machen?
Diese Fragen
müssen Sie bzw. die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, die ALG II
beziehen, nur in wenigen Fällen beantworten (siehe § 33 SGB II). So
müssen Sie diese Fragen nicht beantworten, wenn Sie das 25. Lebensjahr
vollendet haben und/oder vor der Beantragung von ALG II einen möglichen
Unterhaltsanspruch nicht geltend gemacht haben oder wenn Sie zwischen 18 und 25
Jahre alt sind und eine Erstausbildung bereits abgeschlossen haben. Ebenso
müssen Sie diese Fragen nicht beantworten, wenn Sie schwanger sind oder ein
Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreuen.
X. Weitere Angaben, die für die Leistungsgewährung von Bedeutung sein
können
Aus unserer Sicht ist unklar, aus welchem Grund gefragt
wird, ob die im Haushalt lebenden Personen schon früher Leistungen
bei der Agentur für Arbeit oder beim Sozialhilfeträger beantragt oder
bezogen haben.
Sinnvoll kann dies sein, um Sozialdaten aus
früheren Vorgängen zu nutzen.
Wer Bedenken hat, diese
Angaben zu machen oder hierüber keine Angaben mehr machen kann, der sollte
dieses Feld nicht ausfüllen.
Zusatzblatt 1 zur Feststellung der
angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung
Angabe der
Telefonnummer
Wie zuvor ausgeführt, ist die Angabe
der Telefonnummer bzw. der E-Mail-Adresse freiwillig.
Wohnverhältnisse des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der
im Haushalt lebenden Personen
Bankverbindung des
Vermieters
Die Bankverbindung des Vermieters wird
benötigt, um die Unterkunftskosten direkt an diesen zu überweisen.
Eine direkte Überweisung der Miete an den Vermieter bedingt jedoch, dass
dieser erfährt, dass Sie ALG II beziehen. Hierdurch können Ihnen u.U.
Nachteile entstehen.
Der Gesetzgeber hat daher nur in wenigen
Fällen die direkte Überweisung vorgesehen, so im Falle von
Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25.
Lebensjahr vollendet haben (§ 31 Abs. 5 SGB II). Des Weiteren erfolgt die
Zahlung der Unterkunftskosten nur dann direkt an den Vermieter, wenn die
zweckentsprechende Verwendung sonst nicht sichergestellt ist (siehe Punkt 3.2.3
der Broschüre der Bundesagentur für Arbeit „Wichtige Hinweise
zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (Arbeitslosengeld II /
Sozialgeld)“.
In allen anderen Fällen dürfen die
Unterkunftskosten nur dann direkt an den Vermieter überwiesen werden, wenn
Sie zuvor schriftlich eingewilligt haben. Wollen Sie nicht, dass die Miete
direkt an den Vermieter überwiesen wird, so sollten Sie auch nicht die
Bankverbindung des Vermieters angeben.
Vorlage Mietvertrag (Punkt
1)
Bitte beachten Sie, dass ein Mietvertrag u.U. eine
Vielzahl von womöglich sehr sensiblen Daten enthalten kann. Wir empfehlen
Ihnen daher, nicht den Mietvertrag, sondern einen anderen Beleg über die
aktuelle Miete (z.B. das letzte Mieterhöhungsschreiben Ihres Vermieters)
vorzulegen.
Angabe „Ich / Wir haben freies Wohnrecht
bei“: (Punkt 3)
Uns ist nicht eindeutig erkennbar,
wozu diese Angabe benötigt wird, wenn doch keine Unterkunftskosten geltend
gemacht werden?
Sie können u. U. im Rahmen einer
Plausibilitätsprüfung genutzt werden.
Angaben zur
Wohnung / zum Haus (Punkt 4)
Folgende Angaben sind aus
unserer Sicht für die Berechnung Ihres Anspruches auf ALG II
grundsätzlich nicht erforderlich, da sie bei einem niedrigen Mietzins keine
Aussagekraft über die „Angemessenheit“ einer Wohnung haben. Im
Zweifelsfall sollten daher diese Felder nicht ausgefüllt werden:
• Gesamtgröße der Wohnung / des Hauses
• Wohnflächenanteil
• Anzahl der Räume Küchen / Bäder
• Bei Eigentum: Anzahl der Wohneinheiten
Der Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit dürfte für die
Berechnung der „angemessenen Unterkunftskosten“ relevant sein
(Unterscheidung Altbau / Neubau).
Welche Personen leben in der
Wohnung / in dem Haus? (Punkt 7)
Dieser Bereich sollte
nicht ausgefüllt werden, weil die erforderlichen Angaben bereits unter
Punkt III. des eigentlichen Antragvordrucks erfragt wurden.
Zusatzblatt 2 Einkommenserklärung / Verdienstbescheinigung
Beidseitig?
Auf der Vorderseite des Vordruckes soll
der Antragsteller Angaben zu seinem Einkommen machen. Auf der Rückseite
dieses Vordruckes soll der Arbeitgeber den Verdienst seines Arbeitnehmers
bescheinigen.
Wenn Sie oder ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft
zuerst die erste Seite des Zusatzblattes 2 ausfüllen und dann dem
Arbeitgeber aushändigen, damit dieser auf der Rückseite den Verdienst
bescheinigen kann, ergeben sich hieraus zwei Probleme:
• Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit zu lesen, was Sie auf
Seite 1 eingetragen haben.
Dieses Problem können Sie lösen, indem Sie den Arbeitgeber
auffordern seine Angaben zuerst zu machen. Sie können auch die zweite Seite
des Vordruckes kopieren, und den Arbeitgeber auffordern, seine Angaben auf
dieser Kopie zu machen.
Auch die Bundesagentur für Arbeit hat
dieses Problem erkannt, und bietet zwischenzeitlich die zweite Seite dieses
Zusatzblattes 2 als gesonderten Vordruck an.
• Wenn Sie das Zusatzblatt 2 Ihrem Arbeitgeber vorlegen, ob nun im
Original oder in Kopie, so erfährt dieser jedoch auf jeden Fall, dass Sie
oder ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ALG II beantragen wollen. Diese
Kenntnis kann für Sie im Einzelfall peinlich oder gar nachteilig
sein.
Wir bestehen daher darauf, dass Sie die erforderlichen Angaben auch
durch andere „neutrale“ Bescheinigungen belegen können (so z.
B. durch die Vorlage des Arbeitsvertrages und der letzten
Verdienstabrechnungen). Es ist zu vermeiden, dass Ihr Arbeitgeber ohne Grund
erfährt, dass Sie ALG II benötigen.
Angaben über
einmalige Einnahmen
Diese Frage brauchen Sie an dieser
Stelle nicht zu beantworten. Sollten Ihnen aus diesen einmaligen Beihilfen noch
Mittel zur Verfügung stehen, so sind Sie verpflichtet, entsprechende
Angaben im Zusatzblatt 3 zur Feststellung des zu berücksichtigenden
Vermögens zu machen.
Zusatzblatt 3 zur Feststellung des zu
berücksichtigenden Vermögens
Achtung:
Nur wenn Sie und/oder Ihr/e Lebenspartner/in
über ein Gesamtvermögen über 4.850,00 € je Person und die
weiteren Personen der Bedarfsgemeinschaft über 750,00 €
verfügen, soll dieses Zusatzblatt 3 ausgefüllt werden.
Achtung:
Im Zusatzblatt 3 selbst wird gefordert, dass Sie und
alle Personen, mit denen Sie in einer Haushaltsgemeinschaft leben, dieses
Zusatzblatt 3 ausfüllen. Das ist falsch. Nur Sie als Antragsteller
und die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, also nur jene Personen, die
Sie zuvor unter II. und III. des Antragsvordruckes angegeben haben und zu denen
eine der unter VII. des Antragsvordruckes enthaltenen Fragen mit
„ja“ beantwortet wurden, müssen das Zusatzblatt 3
ausfüllen. Personen, mit denen Sie zwar in einer Haushalts- aber nicht in
einer Bedarfsgemeinschaft leben, müssen dieses Zusatzblatt 3 nicht
ausfüllen.
Frage 8: Wurde Vermögen im In- oder Ausland
verschenkt oder gespendet oder auf eine andere Person
übertragen?
Diese Frage ist nur dann zu beantworten,
wenn Ihr bestehendes Vermögen und das Vermögen, was Sie in den letzten
10 Jahren verschenkt, gespendet oder auf eine andere Art übertragen haben,
Ihre bzw. die Vemögensfreigrenze der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft
überschreitet.
Zusatzblatt 4 zur Eintragung weiterer
Angehöriger
Wie zuvor zu III. des Antragsvordruckes
ausgeführt, muss auch dieses Zusatzblatt nur für Personen der
Bedarfsgemeinschaft, nicht jedoch für Personen, mit denen Sie nur in
Haushaltsgemeinschaft leben, ausgefüllt werden.
Posted: Mi - Juli 28, 2004 at 04:37 nachm.
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