Nashornpower Bochumer Sozialforum
 Info zum Forum   Termine   Querbeet   Materialien   Presse   Links   Mailingliste   Kontakt 
Querbeet :: Sozialkahlschlag

Hartz IV und Lebensversicherung: Satte Gewinne für die Versicherungen

SPIEGEL ONLINE - 29. Juli 2004, 16:19
URL: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,310892,00.html

Kritik an Hartz IV
Vermieter sorgen sich, Sozialverbände klagen und Datenschützer drohen: Immer neue Interessengruppen kritisieren die Einführung des Arbeitslosengeldes II.
Neu im Chor: die Versicherungsbranche. Ein Verband schätzt, dass 50.000 Deutsche in einem Anflug von Hartz-IV-Panik ihre Lebensversicherungen gekündigt haben.
Beim Arbeitslosengeld II (ALG II) beträgt der allgemeine Vermögensfreibetrag für Arbeitslose bis 56 Jahre jeweils 200 Euro pro Lebensjahr - ein 40-Jähriger darf also 8000 Euro besitzen. Liegt er drüber, hat er keinen Anspruch auf Förderung. Vermögen muss erst verbraucht werden, oft besteht auch der Zwang, kapitalbildende Lebensversicherungen aufzulösen.
Diese Aussicht hat angeblich zahlreiche Betroffene zu Kurzschlussreaktionen verleitet. Banken berichten, dass Langzeitarbeitslose teilweise höhere Geldbeträge von ihrem Konto abgehoben haben - offenbar in der Hoffnung, das Vermögen irgendwie verstecken zu können. Der Bundesverband deutscher Versicherungskaufleute (BVK) schätzt, dass bundesweit bislang 50.000 Bürger angesichts der Arbeitsmarktreformen ihre Lebensversicherung gekündigt haben.
Der Verband warnt ausdrücklich vor solchen "Panik-Kündigungen", auch bezogen auf Bausparverträge. BVK-Sprecher Ulrich Brock sagte, damit könnten sich derzeit Arbeitslose um hohe Beträge bringen, die eigentlich für die Altersvorsorge gedacht gewesen seien. Mit einer Kündigung schenke man den Versicherungen die "oft satten Schlussgewinne".
"Das Geld steht den Menschen zu"
Auch die Verbraucherzentrale Sachsen warnte Arbeitslose davor, Kapitallebensversicherungen vorschnell auszulösen. Selbst angesichts der geringen Vermögensfreibeträge sei dies nicht in jedem Fall notwendig. Dies gelte besonders für Ostdeutschland: Da die Verträge hier oft erst wenige Jahre laufen, hat sich zumeist noch kein großes Kapital angesammelt, die Rückkaufwerte erreichen die gesetzlichen Freibeträge oft noch nicht.
Die Verbraucherschützer und Versicherungskaufleute sind nicht die einzigen Hartz-Kritiker. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) hält die vorgesehene Zahlungslücke beim Arbeitslosengeld II im Januar für rechtswidrig. "Das Geld steht den Menschen zu", erklärte SoVD-Präsident Adolf Bauer in Berlin. Wenn es bei der jetzigen Regelung bleibe, würden Arbeitslose im kommenden Jahr nur elf Monatszahlungen erhalten. "Es ist absolut inakzeptabel, dass Langzeitarbeitslose für die handwerklichen Fehler des Wirtschaftsministers büßen sollen", sagte Bauer.
Der deutsche Siedlerverband (DSB) verlangte unterdessen, Datschen dürften nicht als Vermögen im Sinne von Hartz IV gewertet werden. DSB-Präsident Alfons Löseke forderte, diese vor allem im Osten weit verbreitete Wohnform müsse berücksichtigt werden. Er bat die Städte, bei der Beurteilung des "angemessenen Wohnraums" nicht zu rigide vorzugehen. "Wer viele Arbeitslose zu Umzügen in billige Wohnungen zwingt, handelt sich strukturelle Probleme in anderen Stadtteilen ein", sagte er der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung".

 

*

Posted: Fr - Juli 30, 2004 at 10:49 vorm.  
   
>
 
impressum