Ihm gehe es besonders darum, die »blöden Eitelkeiten«
innerhalb der äußerst heterogenen Protestbewegung in Berlin zu
überwinden, so Grottian am Donnerstag gegenüber jW. Die verschiedenen
Gruppen wie Wahlalternative, Initiative für ein Volksbegehren zum Sturz des
Senats oder Sozialforum müßten ihre Kräfte im Widerstand gegen
»Hartz IV« bündeln. Die Protestbewegung dürfe »nicht
zum Papiertiger degenerieren«. Selbst die großen Demonstrationen in
Berlin hätten bei den Herrschenden nur ein müdes Achselzucken
hervorgerufen. Wenn er jetzt zu einem »Bürgerstreik« aufrufe,
dann verstehe er das durchaus als Gegenpart zu zahnlosen Gewerkschaftsprotesten.
»Es muß jetzt etwas härter zur Sache gehen«, und das
schließe durchaus »bewußte Regelverletzungen« ein. Im
Inforadio Berlin-Brandenburg nannte er als Beispiele die zeitweise Lahmlegung
der städtischen Infrastruktur und die Besetzung von Arbeitsagenturen. Die
Schließung letzterer sei eine »logische Forderung«, so Grottian,
da sie ihre eigentliche Aufgabe, nämlich die Vermittlung von
Arbeitsstellen, schon lange nicht mehr wahrnähmen.
Im Aufruf
heißt es: »Alle bisherigen Mobilisierungskampagnen zeichneten sich
durch eine Kreuzbravheit ihrer Protestformen aus, die etablierte Institutionen
nicht herausforderten. Der hilflose Ruf von DGB-Chef Michael Sommer, die
rot-grüne Politik solle sich gefälligst mit der Demonstration der 500
000 am 3. April 2004 auseinandersetzen, zeigt die Ohnmacht eigener
Protestinstrumente und die Stärke etablierter Institutionen.
Zivilgesellschaftliche Widerstände neuen Typs müssen dringend
angegangen werden.« Unter anderem will Grottian, der »couragierte
Ungehorsamsprojekte« für »überfällig« hält,
für den Vorabend der bundesweiten Anti-Hartz-Demonstration am 6. November
in Nürnberg zu einer Belagerung der Bundesagentur für Arbeit
mobilisieren, um gegen die »Engelen-Keferisierung« der
Arbeitsbürokratie zu demonstrieren.
Außer den oben
genannten Protestformen wolle man auch die wachsende Armut in der Stadt sichtbar
machen. Im Aufruf werden Lumpendemonstrationen anläßlich festlicher
Ereignisse wie Pressebällen und Staatsbesuchen, vermehrte
Schwarzfahraktionen, Betteldemonstrationen in den wohlhabenden Wohnvierteln und
regelmäßige »fürsorgliche Belagerungen« von Politikern
und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens vorgeschlagen. Dabei
müsse es gelingen, so Grottian, auch diejenigen zur Verweigerung
anzuhalten, die für den Staat die reibungslose Durchsetzung von Hartz IV
und anderen unsozialen Maßnahmen garantieren sollen, wie beispielsweise
Sachbearbeiter in Sozialämtern und Arbeitsagenturen. Ferner wolle man
gemeinsam mit Rechtsexperten Möglichkeiten der Auskunftsverweigerung bei
der Antragstellung auf das Arbeitslosengeld II und juristische Schritte gegen
einzelne Bestimmungen der »Hartz IV«-Gesetze
prüfen.
Außer massiven Protestaktionen soll auch die
Erarbeitung konkreter Alternativen zur herrschenden Arbeitsmarkt- und
Sozialpolitik vorangetrieben werden. »Ein Grundeinkommen, das seinen Namen
verdient, und zwei Millionen gesellschaftlich sinnvoller Arbeitsplätze sind
eine konkrete Utopie zur Abschaffung der Arbeitslosigkeit«, so
Grottian.
Für den 15. August ist ein Koordinierungstreffen aller
Gruppen und Organisationen, die sich in Berlin am Widerstand gegen »Hartz
IV« beteiligen wollen, geplant. Ort und Zeit werden noch
bekanntgegeben.
-----------------------
Adresse:
http://www.jungewelt.de/2004/07-30/001.php
hier das Diskussionspapier
von Prof. Peter Grottian: Für einen heißen Herbst 2004 - 16
Hebelpunkte zum zivilgesellschaftlichem Ungehorsam