|
|
Angelika Beer wirft der Ostermarschbewegung "Verharren im Denken des
Kalten Krieges" vor.
Auf der heutigen Zwischenkundgebung des Ostermarsches in Herne wurde
auf einen Artikel von Angelika Beer (Wehrexpertin der Grünen) in der
Frankfurter Rundschau vom Samstag verwiesen. Man/Frau sollte sich
nicht täuschen lassen, die Grünen stehen für die Militarisierung
Europas und Deutschlands. Hier der Artikel.
Die These von der
Militarisierung der EU ist haltlos Einspruch gegen die
Ostermarsch-Aufrufe der Friedensbewegung: Wer Europa links liegen lässt,
wird bei den Nationalisten landen VON ANGELIKA BEER
Der
Standpunkt Die Kritik an der Militarisierung der EU durch die
Verfassung trifft nicht. Im Gegenteil: Mit ihren außenpolitischen
Zielbestimmungen der Verfassung erhebt die EU die Förderung des Friedens
zum obersten Gebot. Sie macht sich einen erweiterten Sicherheitsbegriff zu eigen
und bindet sich eindeutig an das Völkerrecht und die UN-Charta. Damit ist
jeder Angriffskrieg verboten. aud
Die Aufrufe der
Friedensbewegung, an diesem Osterwochenende gegen die EU-Verfassung zu
marschieren, sind Ausdruck absoluter Orientierungslosigkeit und des Verharrens
im Denken des Kalten Krieges. Die These von der Militarisierung der EU ist
haltlos. Und sie ist gefährlich. Durch Unkenntnis und bewusste
Fehlinformationen über den Verfassungstext wird das Scheitern des
Friedensprojektes Europa provoziert. Die Friedensbewegung riskiert damit, die 25
Staaten umfassende Union zu spalten und ein Kerneuropa herauszufordern.
Über diese Konsequenzen oder Alternativen zur Verfassung schweigt die
Friedensbewegung beredt. Wer am Ostersonntag unter dem Motto "Stoppt die
europäische Verfassung" demonstriert, wird die Verfassung irreparabel
beschädigen und verhindert einen weiteren Meilenstein der Europäischen
Integration - gerade auch für mehr Sicherheit in Europa und für unsere
Nachbarn.
Die Gegner dieser Friedensverfassung verschenken mit ihren
überholten Glaubensgrundsätzen eine historische Friedens-Chance und
verschließen die Augen vor den wirklichen Herausforderungen in der
Außen- und Sicherheitspolitik.
Mit der Verfassung bekommen
erstmals alle Europäerinnen und Europäer das Recht auf ein
Bürgerbegehren. Inhalte, die in keine Verfassung gehören, können
damit korrigiert werden. Dazu gehören zweifellos die "Rüstungsagentur"
oder die Aufforderung an alle Mitglieder, "die militärischen
Fähigkeiten schrittweise zu verbessern".
Der Vertrag von Nizza
war eine vertane Chance, die erweiterte Union auf ein solides Fundament zu
stellen. Ein herber Rückschlag für die Europäische Integration.
Die Verfassung holt diese Chance nach und geht wichtige Schritte
voran.
Deshalb will ich den gesellschaftlichen Streit für diese
Verfassung intensiv und kontrovers führen, denn Fakt
ist:
•Mit ihren außenpolitischen Zielbestimmungen der
Verfassung erhebt die EU die Förderung des Friedens zum obersten Gebot. Sie
macht sich einen erweiterten Sicherheitsbegriff zu eigen und bindet sich
eindeutig an das Völkerrecht und die UN-Charta. Damit ist jeder
Angriffskrieg verboten.
•Die Charta der Grund- und
Menschenrechte wird rechtsverbindlich. Wie wollen wir Frieden schaffen, wenn auf
die Rechtsverbindlichkeit und Einklagbarkeit der Menschenrechte verzichtet wird?
Die universelle Geltung der Menschenrechte ist die Voraussetzung für ein
friedliches Zusammenleben in der Welt.
•Weltweit werden
erstmals in einer Verfassung die zivilen und militärischen Missionen im
Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP)
gleichberechtigt nebeneinander definiert. Damit werden neue Maßstäbe
gesetzt.
•Mit der Verfassung erhält Europa EINE
außenpolitische Stimme. Die Einsetzung eines Europäischen
Außenministers spiegelt den politische Anspruch der EU, eine Spaltung der
Europäer wie im Vorfeld des völkerrechtswidrigen Angriffs der Bush
Administration auf den Irak in Zukunft zu verhindern. Unser Ziel bleibt daher,
ein gemeinsamer europäischer Sitz im UN-Sicherheitsrat - statt einer
Renationalisierung mit einem deutschen Sitz und Vetorecht.
•Es
gibt keine Verpflichtung zur Aufrüstung. Die Formulierung "die
militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern" bietet die
Chance zur Harmonisierung, Aufgabenteilung und Nutzung von Synergieeffekten. Die
Verteidigungsagentur hat den Auftrag nationale Alleingänge zu verhindern,
militärische Überkapazitäten abzubauen, Streitkräfte in
Freiwilligen- und Berufsarmeen umzubilden und Verteidigungsausgaben einzusparen.
Das Raketenabwehrsystem MEADS ist ein klarer Fall für die
Verteidigungsagentur.
•Die Verfassung bietet mit dem Korps
für humanitäre Hilfe einen wichtigen Ansatzpunkt, das vom
Europaparlament beschlossene Zivile Friedenskorps umzusetzen und mit der
humanitären Hilfe in Einklang zu bringen. Die Erfahrungen in Deutschland zu
Beginn der rot-grünen Koalition haben gezeigt, dass entsprechende
Strukturen erst einmal geschaffen werden müssen. Die Antwort auf
Katastrophen wie den Tsunami kann nur sein, die Konzepte zu Human Security,
humanitäre Hilfe und zivile Konfliktprävention aufeinander
abzustimmen.
•Die parlamentarische Kontrolle militärischer
Einsätze im Rahmen der intergouvernemental organisierten ESVP bleibt
national gewährleistet.
Die These der Militarisierung der EU
wird auch durch die Europäische Sicherheitsstrategie (ESS) widerlegt. Auf
die gleichen Bedrohungen geben die National Security Strategy der USA (NSS) und
die ESS höchst unterschiedliche Antworten:
•Die ESS setzt
auf einen effektiven Multilateralismus, Verhandlungen, Sanktionen und
Handelspolitik statt auf Präventivschläge.
•Als
Mittel gegen die Weiterverbreitung nennt die ESS im Gegensatz zur NSS keine
militärischen Mittel, sondern Ausfuhrkontrollen sowie politische und
wirtschaftliche Mittel. Der iranische Atomstreit spiegelt diese
unterschiedlichen Ansätze in der Realität wieder: Hier die
Europäer mit wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Anreizen, dort das
Säbelrasseln der Amerikaner.
•Bei der
Terrorismusbekämpfung setzt die ESS auf Aufklärungsarbeit und Schulung
von Polizei, Zoll, Justiz und Militär, die sie auf die Unterstützung
von Drittstaaten in ihrem Hoheitsgebiet beschränkt.
Insgesamt
geht Europa mit der Verfassung positiv voran, auch wenn das bisherige Ergebnis
nicht in jedem Punkt zufrieden stellend ist. Hier lohnt es sich
weiterzukämpfen, denn jede Vertiefung, jede Erweiterung wird eine neue
Reformdiskussion bringen. Wer aus überholten Denkmustern diese Verfassung
links liegen lässt, der wird landen, wo er sicher nicht hin will: In einem
Bündnis mit den nationalistischen Europagegnern!
Frankfurter
Rundschau online 2005 Erscheinungsdatum 26.03.2005
Posted: So - März 27, 2005 at 10:00 nachm.
>
|
|
|