F: In der vergangenen Woche wurde ein Verfahren wegen
»Rädelsführerschaft« bei der Blockade eines Naziaufmarsches
gegen Sie eingestellt. Was hatte man Ihnen zur Last gelegt?
Neonazis
hatten am 20. September des vergangenen Jahres zu einer bundesweiten
Demonstration gegen die Ausstellung »Verbrechen der Wehrmacht« in
Dortmund aufgerufen. Ich wurde gebeten, eine antifaschistische Demonstration
anzumelden, da sich in Dortmund aufgrund der offensichtlich systematischen
Kriminalisierung der Demoanmelder kaum noch jemand dazu bereit erklärt. An
besagtem Tag fand eine gut organisierte Sitzblockade statt, die den Aufmarsch
vorübergehend stoppte. DKP und SDAJ erklärten daraufhin
öffentlich, daß sie die Blockade gemeinsam mit den Anwohnern des
Stadtviertels organisiert hätten. Staatsschutz und Staatsanwaltschaft haben
in ihrem schlichten Denken aber angenommen, daß nur ich der
Rädelsführer gewesen sein kann, weil ich auch auf der Straße
saß. Der Richter hat nach meiner Einlassung das Verfahren auf Kosten der
Staatskasse eingestellt.
F: Nach diesem Prozeß stehen schon die
nächsten Verfahren gegen Sie an. Was sollen Sie dieses Mal verbrochen
haben?
Der Staatsanwalt wirft mir vor, mit der Veröffentlichung
eines Antifa-Plakates zu gefährlicher Körperverletzung, zur
Verhinderung einer nicht verbotenen Demonstration und zur Teilnahme an einer
Demonstration mit Waffen aufgerufen zu haben. Als verantwortlicher Redakteur der
Internetseite bo-alternativ.de wird mir vorgehalten, daß ich im Februar
2003 ein Plakat mit dem Aufruf »22.2. Naziaufmarsch verhindern«
veröffentlichte. Das Plakat zeigt die Comic-Figur Emily, ein kleines
pfiffig ausschauendes Mädchen, das mit einer leeren Zwille andeutungsweise
auf ein unsichtbares Objekt zielt. Ich kann mir beim besten Willen nicht
vorstellen, daß der Staatsanwalt selbst daran glaubt, ich rufe dazu auf,
mit Waffen zu einer Demonstration zu gehen.
F: Und was bezweckt die
Staatsanwaltschaft dann aus Ihrer Sicht?
Ich denke, es gibt das
offenkundige Bedürfnis beim Polizeipräsidenten und bei der
Staatsanwaltschaft, mich ein wenig einzuschüchtern.
F: Erhalten
Sie Unterstützung von anderen Organisationen?
Ja, es gibt eine
fantastische Solidarität, die weit über das Antifa-Spektrum
hinausgeht. Der Gerichtssaal in Dortmund war überfüllt. Auch in Bochum
erfahre ich eine ungewöhnlich breite Unterstützung. Einen
Solidaritätsaufruf für mich haben fast 50 Gruppen und Organisationen
unterschrieben. Selbst die Bochumer Grünen und »terres des
hommes« sind dabei. Ich bin länger als 35 Jahre politisch aktiv. Noch
nie habe ich so viel Solidarität
erlebt.
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Ausdruck erstellt am 05.05.2004
um 09:24:18 Uhr
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