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Querbeet :: Europa

Mord ohne Erdbeben: Erneut Flüchtlinge in Wüste gebracht

Marokko (im Auftrag Europas) transportiert laut Augenzeugen weiter Afrikaner in die Sahara / Schily prophezeiht "Migrationsdruck"
Marokko hat nach Angaben von Hilfsorganisationen erneut afrikanische Flüchtlinge in Wüstengebiete gebracht. Zuvor hatte die Regierung in Rabat nach Protesten 1000 Menschen zurückholen lassen, die Sicherheitskräfte in der Sahara ausgesetzt hatten.
Berlin/Melilla/Madrid · Ein Sprecher der Organisation "SOS Rassismus" sagte am Sonntag, Marokko transportiere die Flüchtlinge weiterhin in Bussen in die Wüste zwischen Algerien und Mauretanien. In nur einer Woche seien 2400 Menschen in die Sahara gebracht worden.

Der Sprecher erklärte, am Sonntag auf der Landstraße der Wüstenstadt Ouarzazate drei Transportkonvois auf dem Weg in die Sahara gesehen zu haben. Die Einwanderer seien mit Handschellen gefesselt gewesen, zahlreiche von ihnen seien verletzt, auch schwangere Frauen und Kinder würden deportiert, so die Angaben. "Die Flüchtlinge erhalten nichts zu essen und nichts zu trinken", so die Organisation. Einzelne Flüchtlinge berichteten, mehrere Leidensgenossen seien in der Wüste verdurstet. Dafür gab es jedoch keine Bestätigung.

Zuvor hatte Marokko 1000 Flüchtlinge, die Sicherheitskräfte fern der nächsten Ortschaften am Rande der Wüste ausgesetzt hatten, wieder abgeholt und mit Bussen in ein Lager bringen. Rabat hatte damit auf Proteste von Hilfsorganisationen gegen die Behandlung der Afrikaner reagiert.

 

Marokko verhandelt mit anderen Staaten über Rückführung

Wie die Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) mitteilte, sollen die Flüchtlinge nun mit Flugzeugen in ihre Heimatländer zurückgebracht werden. Marokkanische Regierungsvertreter und afrikanische Diplomaten hätten gesagt, es gebe entsprechende Gespräche, teilte die Organisation mit. Die Flüchtlinge protestierten nach einem Bericht des spanischen Fernsehens TVE heftig gegen die Rückführung. Die meisten waren mit Handschellen gefesselt, viele hatten Tränen in den Augen.

Spanien schob derweil weitere 100 Flüchtlinge aus ihrer marokkanischen Exklave Melilla ab. Die Afrikaner seien zunächst per Flugzeug in Aufnahmelager auf dem spanischen Festland gebracht worden, teilte die Präfektur mit. Sie sollen jedoch vorerst nicht an Marokko übergeben werden. Auch die spanische Regierung hatte ihre Besorgnis über das Schicksal der Afrikaner geäußert. Spanien hatte am Donnerstag eine erste Gruppe von 73 Flüchtlingen aus Mali von Melilla nach Marokko abgeschoben. Sie wurden in einem Aufnahmelager in Tanger untergebracht. Dort gehe es ihnen gut, hieß es.

Schily warnt vor Chaos durch hohe Flüchtlingszahlen

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) warnte angesichts der Zwischenfälle bei den spanischen Nordafrika-Exklaven Ceuta und Melilla vor einer dramatischen Zunahme der Flüchtlingszahlen in Europa. "Wenn sich das wirtschaftliche und soziale Gefälle zwischen Europa und Afrika so rapide ausweitet wie bisher, müssen wir uns auf eine sehr dramatische Entwicklung einstellen", sagte Schily der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. "Der Migrationsdruck auf Europa wird dann so dramatisch zunehmen, dass uns Hören und Sehen vergeht." Davor könne eine weitere Abschottung nicht schützen, sagte Schily. Nur eine gezielte Entwicklungspolitik könne die Lage entspannen. Der Innenminister verteidigte zudem die Abgrenzung Europas. "Selbstverständlich können wir es nicht dem Belieben überlassen, wer nach Europa kommt - dann enden wir hier im Chaos."

Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) forderte erneut Auffanglager für Flüchtlinge in Afrika. "Flüchtlinge aus Bürgerkriegs- oder Hungergebieten müssen möglichst heimatnah in Auffanglagern untergebracht werden." epd/dpa/rtr

Frankfurter Rundschau online 2005 - Erscheinungsdatum 10.10.2005

Posted: So - Oktober 9, 2005 at 11:42 nachm.  
   
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