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Griechische Regierung erhöht Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt.
Steuersatz auf Unternehmensgewinne wurden dagegen um zehn Prozent gesenkt
junge Welt vom 06.04.2005 Leider kein
Aprilscherz Griechische Regierung erhöht Mehrwertsteuer um
einen Prozentpunkt. Steuersatz auf Unternehmensgewinne wurden dagegen um zehn
Prozent gesenkt Heike Schrader, Athen
Die wichtigste
Meldung der vergangenen Woche in Griechenland leider kein Aprilscherz. Mit
Wirkung zum 1. April wurden in Hellas die Mehrwert- (Umsatz)steuersätze um
einen Prozentpunkt angehoben. Damit zahlt jeder Endverbraucher jetzt 19 Prozent
Umsatzsteuer auf den Preis für Waren und Dienstleistungen. Nahrungsmittel
werden mit neun statt bisher acht Prozent belastet. und auf Druckerzeugnissen
liegen 4,5 statt der bisherigen vier Prozent Steuer.
Eine
Mehrwertsteuererhöhung trifft Menschen mit geringen Einkünften
logischerweise besonders hart. Wie bei den bisherigen zu Lasten der
Geringverdienenden verabschiedeten Maßnahmen, begründet die
konservative Regierung der Nea Dimokratia die Erhöhung der Mehrwertsteuer
mit von der EU-Kommission geforderten Maßnahmen zur Einhaltung des
Stabilitätspaktes (sogenannte Maastricht-Kriterien, nach denen die
Neuverschuldung eines Euro-Staates nicht höher ausfallen darf als drei
Prozent des Bruttoinlandsproduktes). Das Haushaltsdefizit in Griechenland lag
2004 bei 6,4 Prozent und muß nun nach den Regeln der EU innerhalb der
nächsten zwei Jahre auf die nach den Maastricht-Kriterien erlaubten drei
Prozent zurückgeschraubt werden. Andernfalls drohen dem Lande drastische
Geldstrafen.
Neoliberale Weisheiten
Die im März 2004 gewählte
Nea-Dimokratia-Regierung der griechischen Konservativen setzt zur Senkung des
Haushaltsdefizites genau wie ihre sozialdemokratische Vorgängerin der PASOK
auf neoliberale Wirtschaftsweisheiten. So will die Nea Dimokratia in den
kommenden Jahren alle noch verbleibenden Staatsbetriebe privatisieren. Ausgaben
der Ministerien und Kommunen für soziale Programme wurden bereits radikal
gekürzt. Entgegen der Wahlversprechen liegen die diesjährigen
Rentenanpassungen und die Lohnerhöhungen der im öffentlichen Sektor
Beschäftigten unterhalb der Preissteigerung. Im Zuge der Abschaffung der
staatlichen Kontrolle über die von Ärzten zu verschreibenden
Medikamente und der Freigabe von Lizenzen für den Medikamentenimport sind
die Preise bei bis dahin recht preiswerten Medikamenten um teilweise mehr als
einhundert Prozent in die Höhe geschnellt. Betroffen davon sind besonders
die in Griechenland mehrheitlich mit Renten von unter 500 Euro im Monat lebenden
Senioren als Hauptkonsumenten von Medikamenten. Auch die erst jüngst in
Kraft getretene Erhöhung der Gebühren für die Nutzung der
staatlichen Autobahnen um bis zu 43 Prozent trifft besonders die
Geringverdiener.
Unternehmer begünstigt
Mit dem von
der Regierung verabschiedeten Steuergesetz sowie dem Gesetz zur Ankurbelung des
Wirtschaftaufschwunges bekamen die Unternehmen in Griechenland dagegen
weitreichende Steuererleichterungen und andere Begünstigungen
eingeräumt. So wurde beispielsweise der Steuersatz auf Unternehmensgewinne
von 35 auf 25 Prozent gesenkt.
All diese unter der griechischen
Bevölkerung auf starken Protest stoßenden Maßnahmen stehen in
bestem Einklang mit den neoliberalen Wirtschaftsgrundsätzen der
Europäischen Union. Die sollen zudem mit der Ratifizierung der
EU-Verfassung sogar Verfassungsrang erhalten. Kein Wunder also, daß die
Regierung in Griechenland sich gegen ein von allen anderen Parteien im Parlament
sowie von den Gewerkschaftsverbänden gefordertes Referendum über die
EU-Verfassung sperrt. Hierzulande entscheidet das Parlament mit einfacher
Mehrheit über die Durchführung von Volksabstimmungen. Mit ihrer
komfortablen Mehrheit im Parlament hat es die Nea Dimokratia in der Hand, die
EU-Verfassung durch das Parlament ratifizieren zu lassen. Von direkter
Demokratie will man auch im Lande ihrer Erfinder nichts
wissen. ----------------------- Adresse:
http://www.jungewelt.de/2005/04-06/009.php
Posted: Mi - April 6, 2005 at 01:17 nachm.
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