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Feiertagsproteste stoppen keine Kriege
Der neue Imperialismus ist bereits über uns
gekommen. Rede der indischen Schriftstellerin Arundhati Roy auf dem
4. Weltsozialforum in Mumbai
in: junge Welt vom
20.01.2004
junge Welt vom
20.01.2004
Thema
Feiertagsproteste stoppen keine
Kriege
Der neue Imperialismus ist bereits über uns
gekommen. Rede der indischen Schriftstellerin Arundhati Roy auf dem 4.
Weltsozialforum in Mumbai
Im Januar vorigen
Jahres versammelten sich Tausende von uns aus der ganzen Welt im brasilianischen
Porto Alegre und erklärten: »Eine andere Welt ist möglich.«
Ein paar tausend Meilen weiter nördlich dachten in Washington George Bush
und seine Berater das gleiche. Unser Projekt war das Weltsozialforum. Ihr Ziel
war es, das voranzubringen, was viele »Das Projekt für das neue
amerikanische Jahrhundert« nennen.
In großen Städten
Europas und Amerikas, wo solche Dinge noch vor ein paar Jahren nur
geflüstert worden wären, sprechen Menschen nun offen von den guten
Seiten des Imperialismus und von der Notwendigkeit eines starken Imperiums, um
eine aufsässige Welt zu überwachen. Die neuen Missionare wollen
Ordnung auf Kosten von Gerechtigkeit. Disziplin auf Kosten von Würde. Und
Überlegenheit um jeden Preis. Gelegentlich werden einige von uns
eingeladen, das Problem auf »neutralen Plattformen zu debattieren«,
die von Medienkonzernen gestellt werden. Imperialismus debattieren ist ein
bißchen wie das Für und Wider von Vergewaltigung abzuwägen. Was
können wir dazu sagen? Daß wir so was wirklich
vermissen?
Im Krieg gegen den Terror wird Armut mit Terrorismus
vermischt
Jedenfalls ist neuer Imperialismus bereits über uns
gekommen. Es ist eine remodellierte, modernisierte Fassung dessen, was wir einst
kannten. Erstmals in der Geschichte hat ein einziges Imperium mit einem
Waffenarsenal, das die Welt an einem Nachmittag auslöschen kann, komplette,
unipolare wirtschaftliche und militärische Hegemonie. Es wendet
verschiedene Waffen an, um unterschiedliche Märkte aufzubrechen. Es gibt
kein Land auf Gottes Erden, das sich nicht im Fadenkreuz amerikanischer
Marschflugkörper und IWF-Scheckbücher befindet. Argentinien ist das
Modell für die Titelfigur des neoliberalen Kapitalismus, Irak hingegen das
schwarze Schaf.
Arme Länder, die geopolitisch von strategischem
Wert für das Imperium sind oder einen »Markt« haben, der
privatisiert werden kann, oder um Gottes Willen wertvolle natürliche
Ressourcen wie Öl, Gold, Diamanten, Kobalt, Kohle besitzen, müssen
sich wie angeordnet verhalten, oder sie werden zu militärischen Zielen.
Jene mit den größten natürlichen Reichtümern sind am meisten
gefährdet. Sollten sie nicht bereitwillig ihre Ressourcen der
Konzernmaschinerie ausliefern, werden zivile Unruhen initiiert oder Kriege vom
Zaun gebrochen. In diesem neuen Zeitalter des Imperiums, da nichts mehr so ist
wie es scheint, dürfen Manager interessierter Companies
außenpolitische Entscheidungen beeinflussen. Das Zentrum für
Öffentliche Integrität in Washington fand heraus, daß neun von 30
Mitgliedern des Ausschusses für Verteidigungspolitik der US-Regierung mit
Unternehmen verbandelt waren, denen zwischen 2001 und 2002 Aufträge im
Verteidigungssektor in Höhe von 76 Milliarden Dollar zugeschanzt
wurden.
George Shultz, der frühere US-Außenminister, war
Vorsitzender des Komitees für die Befreiung Iraks. Er sitzt auch im
Aufsichtsrat der Bechtel-Gruppe. Über einen Interessenkonflikt im
Kriegsfall gegen Irak befragt, sagte er: »Ich weiß nicht, ob Bechtel
daraus besonderen Nutzen ziehen würde. Aber wenn dort Arbeit verrichtet
werden muß, dann ist Bechtel der Firmentyp, der das machen könnte.
Aber niemand betrachtet das als etwas, von dem man profitiert.« Nach dem
Krieg schloß Bechtel einen Vertrag über 680 Millionen Dollar für
die Rekonstruktion im Irak ab.
Diese brutale Blaupause ist immer
wieder verwendet worden – quer durch Lateinamerika, Afrika, Mittel- und
Südostasien. Das hat Millionen Menschenleben gekostet. Natürlich wird
jeder Krieg des Imperiums zum gerechten Krieg erklärt. Das hängt zum
großen Teil von der Rolle der Medienkonzerne ab. Es ist wichtig zu
verstehen, daß Medienkonzerne nicht lediglich das neoliberale Projekt
unterstützen. Sie sind das neoliberale Projekt. Das ist keine moralische
Position, die sie sich ausgewählt haben, sondern strukturell bedingt. Es
ist wesentlich für die Ökonomien, wie die Massenmedien arbeiten. Viele
Nationen haben – ähnlich wie Familien – entsetzliche
Geheimnisse. Deshalb haben es die Medien oft gar nicht nötig zu lügen.
Was betont und was weggelassen wird, zählt.
Nehmen wir zum
Beispiel an, Indien wäre als Ziel für einen gerechten Krieg
ausgewählt worden. Der Fakt, daß 80 000 Menschen seit 1989 in Kaschmir
getötet worden sind, die meisten von ihnen Muslime, und die meisten von
ihnen durch indische Sicherheitskräfte (was einen Jahresdurchschnitt von
ungefähr 6 000 ergibt); der Fakt, daß im März 2003 über 2000
Muslime auf den Straßen in Gujarat ermordet, daß Frauen von Gruppen
vergewaltigt und Kinder bei lebendigem Leibe verbrannt und 150 000 Menschen aus
ihren Heimen vertrieben wurden, während die Polizei und die Administration
zuschauten und sich mitunter aktiv beteiligten; der Fakt, daß niemand
für diese Verbrechen bestraft und die Regierung, die das überblickte,
wieder gewählt wurde – all das würde perfekte Schlagzeilen
liefern für internationale Zeitungen im Zulauf auf einen Krieg. Weiter
wissen wir, daß unsere Städte von Marschflugkörpern dem Erdboden
gleichgemacht würden, unsere Dörfer mit Stacheldraht umzäunt,
US-Soldaten durch unsere Straßen patrouillieren würden und Narendra
Modi, Pravin Togadia oder irgendein anderer populärer Eiferer zu besten
TV-Sendezeiten sich – wie Saddam Hussein im US-Gewahrsam – ihr Haar
nach Läusen durchsuchen und ihre Zahnfüllungen überprüfen
lassen müßten.
Aber solange unsere »Märkte«
offen sind, solange Enron, Bechtel, Halliburton, Arthur Andersen freie Hand
gelassen wird, können unsere »demokratisch gewählten«
Führer sorglos die Linien zwischen Demokratie und Faschismus verwischen.
Die feige Bereitschaft unserer Regierung, die stolze Tradition der Blockfreiheit
aufzugeben, ihr Drang an die Spitze der komplett Gebundenen (die Modephrase
lautet »natürliche Verbündete«, zu denen Indien, Israel und
die USA zählen) haben ihr Beinfreiheit gegeben, sich in ein repressives
Regime zu verwandeln ohne Verlust ihrer Legitimität. Die Opfer einer
Regierung sind nicht nur jene, die sie tötet und einkerkert. Auch jene
müssen zu ihnen gerechnet werden, die enteignet, vertrieben und zu einem
Leben in Hunger und Entbehrung verurteilt sind. Millionen Menschen sind durch
»Entwicklungsprojekte« enteignet worden. In den vergangenen 55 Jahren
haben in Indien durch Großdämme zwischen 33 und 55 Millionen
Bürger ihre Siedlungsgebiete verloren. Sie haben keine Chance auf
Gerechtigkeit.
In den letzten beiden Jahren gab es eine Serie von
Zwischenfällen, bei denen die Polizei das Feuer auf friedlich
Protestierende, meistens Dalits und Adivasi, eröffnete. Die Armen und
besonders die Dalits und Adivasi-Gemeinschaften werden getötet, weil sie
Forstland nutzen, und sie werden getötet, wenn sie die Nutzung von
Forstland für Dämme, den Bergbau, Stahlwerke und andere
»Entwicklungsprojekte« zu verhindern suchen. In nahezu jedem Fall, in
dem die Polizei schoß, behauptete die Regierung, die Polizei sei durch
Gewaltakte provoziert worden. Jene, auf die geschossen wurde, werden sofort als
Militante abgestempelt.
Quer durchs Land hat man unschuldige
Menschen, inklusive Minderjährige, nach dem Gesetz zur Verhinderung von
Terrorismus eingesperrt und hält sie ohne Prozeß endlos fest. In der
Ära des Krieges gegen Terror wird Armut hinterhältig mit Terrorismus
vermischt. In der Ära von korporativer Globalisierung ist Armut ein
Verbrechen. Protest gegen weitere Verarmung ist Terrorismus. Und nun sagt unser
höchstes Gericht sogar, streiken ist ein Verbrechen. Kritik an den
Gerichten ist selbstverständlich auch ein Verbrechen.
Wie der
alte Imperialismus beruht auch der neue Imperialismus auf einem Netzwerk von
Agenten, korrupten lokalen Eliten, die dem Imperium dienen. Wir alle kennen die
schlimme Geschichte von Enron in Indien. Die damalige Regierung von Maharashtra
schloß ein Abkommen über Stromlieferungen, die Enron Profite
sicherten, die 60 Prozent des gesamten indischen Budgets für die
landwirtschaftliche Entwicklung ausmachten. Einer einzigen amerikanischen
Company wurde ein Profit garantiert im Äquivalent von Fonds zur Entwicklung
der Infrastruktur für etwa 500 Millionen Menschen!
Cancun lehrte
uns, internationale Allianzen zu schmieden
Anders als zu alten Zeiten
muß der neue Imperialist sich nicht durch die Tropen schleppen, Malaria,
Durchfälle und einen frühen Tod riskierend. Neuer Imerialismus kann
über E-Mail ausgeführt werden. Die vulgären, klassischen
Rassisten des alten Imperialismus sind überholt. Der Eckstein des neuen
Imperialismus ist neuer Rassismus. (Hier folgt eine ausführliche Passage,
in der Arundhati Roy ironisch Truthähne, die nicht zum US-Erntedankfest auf
dem Festtisch landen, mit den neuen, »sorgfältig gezüchteten
Truthähnen, den lokalen Eliten verschiedener Länder, einer
Gemeinschaft reicher Immigranten, Investment-Bankern, Leuten wie Colin Powell
oder Condoleezza Rice, einigen Sängern und Schriftstellern«,
vergleicht, die sie unter Begünstigte im neuen Rassismus eingruppiert.
»Die Millionen anderen verlieren ihre Jobs, werden aus ihren Wohnungen
geworfen, bekommen Wasser und Strom abgedreht und sterben an AIDS«, sagt
sie in diesem Kapitel.)
Teil des Projekts neuer Rassismus ist neuer
Genozid. In dieser Ära neuer wirtschaftlicher Interdependenz kann neuer
Genozid durch ökonomische Sanktionen gefördert werden. Das heißt,
Bedingungen zu schaffen, die zum Massensterben führen, ohne daß man
Menschen direkt töten muß. Dennis Halliday, von 1997 bis 1998
UN-Koordinator für humanitäre Angelegenheiten in Irak (danach trat er
angeekelt zurück), verwendete den Begriff Völkermord, um die
Sanktionen gegen Irak zu beschreiben. Die Sanktionen, denen eine halbe Million
Kinder zum Opfer fielen, stellten alle Bemühungen Saddam Husseins noch in
den Schatten. In der neuen Ära ist Apartheid als formelle Politik
antiquiert und unnötig.
Internationale Instrumente von Handel
und Finanz steuern ein komplexes System von Handelsgesetzen und Finanzabkommen,
die die Armen ohnehin in ihren Bantustans festhalten. Ihr ganzer Zweck besteht
darin, Ungleichheit zu institutionalisieren. Warum sonst würden die USA das
Produkt eines Textilherstellers in Bangladesch zwanzigmal höher besteuern
als eins made in Großbritannien? Warum sonst produzieren Länder mit 90
Prozent des Weltkakaoanbaus nur fünf Prozent der Schokolade in der Welt?
Warum sonst werden Kakao anbauende Länder wie die Elfenbeinküste und
Ghana mit Besteuerung vom Markt gedrängt, wenn sie versuchen, ihren
Rohkakao in Schokolade zu veredeln? Warum sonst fordern reiche Länder, die
täglich über eine Milliarde Dollar für Agrarzuschüsse
ausgeben, daß arme Länder wie Indien alle Agrarsubventionen,
einschließlich der für Elektrizität, abbauen? Warum sonst stecken
ehemalige Kolonien, die über mehr als ein Jahrhundert lang von den
Kolonialregimes ausgeplündert wurden, in der Schuldenfalle genau dieser
Regimes und zahlen ihnen 382 Milliarden Dollar pro Jahr
zurück?
Aus all diesen Gründen war die Entgleisung der
Handelsabkommen in Cancun so entscheidend für uns. Auch wenn unsere
Regierungen versuchen, sich damit zu rühmen, wissen wir doch, daß dies
das Resultat des Kampfes von vielen Millionen Menschen in sehr vielen
Ländern über Jahre hinweg war. Was uns Cancun lehrte ist, daß, um
wirklichen Schaden anzurichten und radikalen Wandel zu erzwingen, es für
lokale Widerstandorganisationen von vitaler Bedeutung ist, internationale
Allianzen zu schmieden. Von Cancun lernten wir die Bedeutung globalisierten
Widerstands.
Keine einzelne Nation kann sich dem Projekt der
korporativen Globalisierung aus eigener Kraft widersetzen. Immer wieder haben
wir erlebt, daß die Helden unserer Zeit schrumpfen, wenn es um das
neoliberale Projekt geht. Außergewöhnliche, charismatische
Männer, Giganten in Opposition, werden machtlos auf der globalen
Bühne, wenn sie Staatsoberhäupter werden. Ich denke hier an
Präsident Lula von Brasilien. Lula war der Held des Weltsozialforums
letztes Jahr. In diesem Jahr verwirklicht er eifrig die IWF-Richtlinien,
reduziert Renten und entschlackt seine Arbeiterpartei von Radikalen. Ich denke
auch an Südafrikas Expräsidenten Nelson Mandela. Innerhalb von zwei
Jahren nach seinem Machtantritt machte seine Regierung einen Kniefall vor dem
Gott der Marktwirtschaft. Sie führte ein massives Programm von
Privatisierung und strukturellen Anpassungen ein, das Millionen Menschen ohne
Heim, arbeitslos, ohne Wasser und Eletrizität
hinterläßt.
Warum passiert das? Es macht wenig Sinn, sich
an die Brust zu klopfen und betrogen zu fühlen. Lula und Mandela sind in
jeder Beziehung großartige Menschen. Aber im Moment, da sie von der
Opposition ins Regierungslager wechselten, wurden sie zu Geiseln eines ganzen
Spektrums von Bedrohungen, die übelste davon die Drohung mit Kapitalflucht,
die jede Regierung über Nacht zu Fall bringen kann. Anzunehmen, daß
das persönliche Charisma und ein kampferfüllter Lebenslauf das
korporative Kartell anknackst, bedeutet nicht zu verstehen, wie der Kapitalismus
funktioniert oder wie Macht ausgeübt wird. Radikaler Wandel wird nicht
durch Regierungen ausgehandelt, er kann nur durch Menschen erzwungen
werden.
Wir müssen unsere Strategie des Widerstands
diskutieren
In dieser Woche werden auf dem Weltsozialforum einige der
besten Köpfe der Welt Ideen darüber austauschen, was um uns herum
geschieht. Diese Konversationen schärfen unsere Vision über die Art
von Welt, für die wir kämpfen. Das ist ein vitaler Prozeß, der
nicht untergraben werden darf.
Dennoch besteht das Risiko, wenn auf
Kosten wirklicher Aktion alle unsere Energien auf diesen Prozeß gerichtet
werden, daß das WSF, das eine entscheidende Rolle in der Bewegung für
globale Gerechtigkeit gespielt hat, zu einem Guthaben unserer Feinde wird. Wir
müssen dringend unsere Strategien des Widerstands diskutieren. Wir
müssen reale Ziele ins Visier nehmen und wirklichen Schaden anrichten.
Gandhis Salzmarsch war nicht lediglich politisches Theater. Als in einem simplen
Akt von Ungehorsam Tausende Inder zum Meer marschierten und dort ihr Salz
gewannen, brachen sie das Gesetz der Salzsteuer. Das war ein direkter Schlag
gegen den ökonomischen Unterbau des britischen Empires. Er war real.
Während unsere Bewegung einige wichtige Siege errungen hat, dürfen wir
gewaltlosen Widerstand nicht zu ineffektivem, wohlgefälligem politischen
Theater verkümmern lassen. Er ist eine sehr kostbare Waffe, die
ständig geschärft und justiert werden muß. Es darf nicht erlaubt
werden, daß sie lediglich zum Spektakel, zu einer Fotomöglichkeit
für die Medien wird.
Es war herrlich, als am 15. Februar vorigen
Jahres zehn Millionen Menschen auf einer eindrucksvollen Demonstration
öffentlicher Moral, zehn Millionen Menschen auf fünf Kontinenten gegen
den Krieg in Irak marschierten. Es war wunderbar, aber es war nicht genug. Der
15. Februar war ein Wochenende. Niemand mußte einen Arbeitstag verpassen.
Feiertagsproteste stoppen keine Kriege. George Bush weiß das. Die
Selbstsicherheit, mit dem er die überwältigende öffentliche
Meinung mißachtete, sollte uns allen eine Lehre sein. Bush glaubt, Irak
kann okkupiert und kolonisiert werden, wie es mit Afghanistan geschieht, mit
Tibet geschieht, mit Tschetschenien geschieht, wie es in Osttimor der Fall war
und in Palästina noch der Fall ist. Er glaubt, daß alles, was er zu
tun hat, ist, sich hinzuhocken und zu warten, bis die über Krisen
berichtenden Medien, die dieses Thema bis auf die Knochen ausgeschlachtet haben,
es fallenlassen und weiterziehen. Bald wird der Kadaver von den
Bestseller-Charts rutschen, und wir, alle Empörten werden das Interesse
daran verlieren. So jedenfalls hofft er.
Diese unsere Bewegung
braucht einen großen, globalen Erfolg. Es ist nicht gut genug, Recht zu
haben. Manchmal ist es wichtig, etwas zu gewinnen, wenn auch nur, um unsere
Entschlossenheit zu testen. Um etwas zu gewinnen, müssen wir – alle,
die sich hier und dort drüben bei Mumbai Resistance versammelt haben
– in etwas übereinstimmen: daß es nicht eine überlappende,
vorherbestimmte Ideologie braucht, in die wir unsere geschätzten,
aufrührerischen argumentativen Selbsts hineinzwängen. Es bedarf keines
bedingungslosen Untertanengehorsams gegenüber der einen oder anderen Form
von Widerstand, um alles andere auzuschließen. Es könnte eine
Minimalagenda sein.
Laßt uns den Blick auf Irak
werfen
Wenn alle von uns wirklich gegen Imperialismus und gegen das
Projekt des Neoliberalismus sind, dann laßt uns den Blick auf Irak werfen.
Irak ist die unvermeidliche Kulmination von beidem. Zahlreiche Kriegsgegner
haben sich seit der Gefangennahme Saddam Husseins zurückgezogen. Ist die
Welt nicht besser ohne Saddam Hussein? fragen sie
ängstlich.
Schauen wir der Sache ein für allemal ins Auge.
Der Gefangennahme Saddam Husseins durch die US-Army zu applaudieren und deshalb
im nachhinein ihre Invasion und Okkupation Iraks zu rechtfertigen, ist wie Jack
the Ripper (den Schlächter) anzubeten, weil er den Boston-Würger
ausgeweidet hat. Und das nach einem Vierteljahrhundert Partnerschaft, in der
Schlächter und Würger ein gemeinsames Unternehmen betrieben. Es war
ein innerbetrieblicher Streit. Sie waren Geschäftspartner, die sich wegen
eines schmutzigen Deals entzweiten. Jack war der CEO, der Chief Exekutive
Officer.
Wenn wir also gegen den Imperialismus sind, sollten wir dann
darin übereinstimmen, daß wir gegen die US-Okkupation sind und
daß wir glauben, daß die USA sich aus Irak zurückziehen und dem
irakischen Volk Reparationen für die Kriegsschäden zahlen müssen?
Wie beginnen wir mit unserem Widerstand? Beginnen wir mit etwas wirklich
Kleinem. Die Frage ist nicht, den Widerstand in Irak gegen die Besatzung zu
unterstützen oder zu debattieren, wer genau zum Widerstand in Irak
gehört ( Sind sie alte Baath-Killer? Sind sie islamische Fundamentalisten?)
Wir müssen der globale Widerstand gegen die Besatzung
werden.
Unser Widerstand muß mit der Zurückweisung der
Legitimität der US-Okkupation Iraks beginnen. Das bedeutet Handeln, um es
dem Imperium unmöglich zu machen, seine Ziele zu erreichen. Es bedeutet,
Soldaten sollten sich weigern zu kämpfen, Reservisten sich weigern,
eingezogen zu werden. Arbeiter sollten es ablehnen, Schiffe und Flugzeuge mit
Waffen zu beladen. Es bedeutet auch, daß wir in Ländern wie Indien und
Pakistan die Pläne der US-Regierung zum Scheitern bringen müssen,
indische und pakistanische Soldaten zum Saubermachen nach Irak zu
schicken.
Ich schlage vor, daß wir auf einer gemeinsamen
Abschlußzeremonie von Weltsozialforum und Mumbai Resistance zwei wichtige
Unternehmen auswählen, die von der Zerstörung Iraks profitieren. Wir
könnten jedes Projekt, in das sie involviert sind, erfassen. Wir
könnten ihre Büros in jeder Stadt und in jedem Land der Welt
lokalisieren. Wir könnten sie jagen, zur Schließung zwingen. Es ist
eine Frage, unsere kollektive Weisheit und Erfahrung aus vergangenen
Kämpfen für ein einzelnes Ziel einzubringen. Es ist eine Frage des
Wunsches zu siegen.
Das »Projekt für das neue amerikanische
Jahrhundert« strebt danach, Ungleichheit fortzusetzen und amerikanische
Hegemonie um jeden Preis, selbst wenn er apokalyptisch ist, zu errichten. Das
Weltsozialforum verlangt Gerechtigkeit und Überleben. Aus diesen
Gründen müssen wir uns als im Krieg befindlich
betrachten.
* Unser Südasien-Mitarbeiter Hilmar König
übersetzte die Rede, wie sie am 18. Januar in der Zeitung THE HINDU
veröffentlicht wurde
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Adresse: http://www.jungewelt.de/2004/01-20/003.php Ausdruck erstellt
am 26.01.2004 um 12:08:57 Uhr
Posted: Di - Januar 27, 2004 at 10:49 vorm.
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